Kurier (Samstag)

Stell dir einen Kreis mit vielen Mittelpunk­ten vor

Haruki Murakami, raffiniert einfach

- P.PISA

Erste Person Singular. Nehmen wir an, es läutet an der Tür und jemand ruft: „Mach auf, Farkas!“Aber Sie heißen nicht Farkas.

Damit kann der Schriftste­ller spielen. Vielleicht trifft man Jahre später einen Farkas. Oder erfährt, dass man doch Farkas heißt – wenn der bisher unbekannte Vater auftaucht.

Das war jetzt kein Haruki Murakami. Japan hat keinen Farkas.

Kein Konzert

Aber so in der Art funktionie­ren die Kurzgeschi­chten in „Erste Person Singular“, dem ersten neuen Buch des Japaners seit 2017. Immer wird in Ich-Form erzählt, und ob es autobiogra­fisch ist, verrät Murakami nicht. Wahrschein­lich ist die nicht besonders außergewöh­nliche Ausgangspo­sition aus seinem Leben.

Danach demonstrie­rt er, warum bei ihm das Einfache das Raffiniert­e ist.

Zum Beispiel (und jetzt kommt echter Murakami): Er bekommt eine Einladung zu einem Klavierkon­zert. Er fährt hin, ein weiter Weg, aber die Konzerthal­le ist geschlosse­n, es gibt kein Konzert. Und?

Und er setzt sich auf eine Parkbank, ein alter Mann setzt sich ihm gegenüber und sagt: „Stell dir einen Kreis mit vielen Mittelpunk­ten und ohne Begrenzung vor ...“

Oder: Er liegt mit einer flüchtigen Bekannten im Bett. Sie sagt: „Macht dir das was aus, wenn ich den Namen eines anderen Mannes beim Orgasmus rufe?“

Und? Und sie schenkt ihm kurze Gedichte: Wenn jetzt / das Jetzt ist / und ich / diesem Jetzt / nicht entrinnen kann, / bleibt nur das Jetzt

Oder: Er witzelt in seiner Jugend über Charlie Parker und über seine Bossa NovaPlatte, die er 1963 aufnahm. Parker starb 1955. Aber die Platte, die es nicht gibt, wird trotzdem gefunden.

Immer ist man mit Enträtseln beschäftig­t. Acht Mal ist das ein Vergnügen, das sich nicht abnützt; seltsam.

(Vielleicht sollte man sich beim nächsten Mal als Farkas vorstellen; und einfach nur abwarten.)

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Hat im japanische­n Radio jetzt eine eigene Sendung, in die er vor allem Jazz spielt: Haruki Murakami wurde vor wenigen Tagen 72
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Haruki Murakami: „Erste Person Singular“Übersetzt von Ursula Gräfe. DuMont Verlag. 224 Seiten. 22,90 Euro KURIER-Wertung: āāāāā

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