185 Schauspiel-Stars outen sich
„Wir sind schon da“. Mit der Initiative #actout wird mehr Vielfalt und Anerkennung in Film, TV und Theater gefordert
Eigentlich sollte man meinen, dass es im Jahr 2021 völlig egal ist, wen man liebt, welche sexuelle Orientierung man hat, ob lesbisch, schwul, bisexuell, queer, nicht-binär oder trans. Ist es aber nicht. Diversität wird zwar oft gepredigt und gewünscht, aber immer noch nicht von allen akzeptiert. Und genau das prangern jetzt 185 Schauspieler, die sich gemeinsam in der Süddeutschen Zeitung in einem Manifest geoutet haben, an. Sie wollen mit der Initiative #actout eine öffentliche Debatte anstoßen und mehr gelebte Vielfalt in Film, TV und Theater einfordern.
„Mir wurde immer gesagt, ich solle mich nicht outen. Wenn ich gedreht habe, habe ich meine Freundin zum Set mitgenommen, dort war es irgendwie kein Problem. Dämonisiert wurde das öffentliche Coming-out, jenes vor dem Publikum, vor der Öffentlichkeit. Als ich den ,Tatort’ bereits hatte, wurde mir gesagt, ich soll mich nicht outen, bevor ich nicht den Fuß richtig in der Branche habe“, so Mitinitiatorin und Dresdner „Tatort“-Kommissarin Karin Hanczewski.
„Es gibt also nie den richtigen Zeitpunkt. Ständig wird mir gegenüber irgendeine Befürchtung
geäußert. Das sind zum Beispiel Casterinnen und Caster, die einem Schauspieler sagen: ,Wenn du dich outest, kann ich dich nicht mehr besetzen.’ Und mir wurde gesagt, ich solle im ,Tatort’ nicht zu viele Karo-Hemden tragen.“
Auch Burgtheater-Schauspielerin Mavie Hörbiger, der Berliner „Tatort“-Kommissar Mark Waschke oder Ulrich Matthes („Der Untergang“)
sind mit dabei. Ihnen allen geht es darum, als Minderheit sichtbar zu sein.
„Wir sind mit unserer sexuellen Identität in der Öffentlichkeit nicht sichtbar. Es wird immer angenommen, man gehöre zur Norm“, so Schauspieler und Regisseur Godehard Giese („Babylon Berlin“).
„Ein Gruppen-Outing ist gut, es gibt Kraft, nicht allein zu sein. Und wenn mehr als 180 Menschen das Wort ergreifen, zwingt das, sich mit den Forderungen zu befassen und nicht das persönliche Coming-out zu boulevardisieren“, meint „Tatort“-Kommissarin Ulrike Folkerts, die ihres 1999 hatte.
„Ich wurde zur Exotin und stigmatisiert“, erinnert sie sich. Nicht-heterosexuellen Darstellerinnen und Darstellern werde ihrer Meinung nach oft nicht zugetraut, heterosexuelle Rollen authentisch zu spielen. „Es gab einen Regisseur, der Andeutungen machte: ,Ich kriege dich nicht durch, weil du lesbisch bist.’ Oder eine Regisseurin, die nach Probeaufnahmen meinte: ,Ach, Sie lieben Frauen? Dann können Sie die Mutter nicht spielen, sie sind ja keine.’ Es ist mein Beruf, alles zu spielen, alles! Ohne es zu sein!“, erzählt Folkerts.
„Und wenn ich mich nicht oute, sondern mich selbst unsichtbar mache, trage ich zu einer Welt bei, in der ich eigentlich nicht leben will, und nähre den Boden für HomoFeindlichkeit, Queer-Feindlichkeit,
Trans-Feindlichkeit. Und dieser Schritt ist ein Schritt, da rauszutreten, um eine Welt zu erschaffen, in der ich selbst auch leben will“, zeigt Mimin Karin Hanczewski die Relevanz dieser Initiative auf.
Auch bei diesem Manifest mit dabei ist Schauspieler Georg Uecker, der einst in der „Lindenstraße“den ersten schwulen Kuss in einer Familienserie hatte und Moderator Jochen Schropp, der sich auch aus Angst vor beruflichen Konsequenzen lange nicht traute, sich zu outen.