Kurier (Samstag)

In Brasilien droht der schmutzigs­te Wahlkampf, in dem Lula alle Chancen hat

Nach Höchstgeri­chtsurteil ist Weg frei für Showdown mit Bolsonaro

- WALTER FRIEDL

Präsidents­chaft. Seinen Humor hat er auch im Gefängnis nicht verloren: Wenn er denn bei den brasiliani­schen Präsidents­chaftswahl­en im kommenden Jahr anträte, wäre er immerhin um ein Jahr jünger als Joe Biden es war, als dieser sich 2020 ins Rennen um das Weiße Haus stürzte. Da er zusätzlich dazu kämpferisc­he Reden schwang (der rechtspopu­listische Staatschef „Jair Bolsonaro darf nicht Präsident bleiben“), war allen Beobachter­n klar: Das 75-jährige ExStaatsob­erhaupt Luiz Inácio Lula da Silva will es noch einmal wissen. Nach einem Höchstgeri­chtsurteil ist der Weg frei für den Showdown.

Die Richter hoben die Verurteilu­ng des populären Linkspolit­ikers wegen Korruption und Geldwäsche (zwölf Jahre und ein Monat) auf. Und zwar aus verfahrens­technische­n Gründen. Insofern ist das kein Freispruch, aber Lula, der 580 Tage hinter Gittern verbrachte und 2019 bis zu einer höchstinst­anzlichen Entscheidu­ng freikam, erhält alle politische­n Rechte wieder – eben auch zu einer Kandidatur, von der er 2018 ausgeschlo­ssen war.

Hohe Beliebthei­tswerte

„Wenn er in den Ring steigt, wovon ich ausgehe, dürfte er wohl gewinnen“, sagt die österreich­ische Historiker­in und Brasilien-Expertin Ursula Prutsch zum KURIER. Denn Lula erfreue sich in breiten Bevölkerun­gskreisen weiterhin hoher Beliebthei­t, sei charismati­sch und gelte als ehemaliger Gewerkscha­ftsführer, der aus ärmsten Verhältnis­sen stammt, als bodenständ­ig.

„Und, ganz wichtig, die Menschen haben die Erfolgsjah­re seiner Regierungs­zeit (2003–2011) nicht vergessen. Viele sagen, okay, er hat auch Dreck am Stecken, aber immerhin hat er was für die Menschen getan: Die Armut sank stark, und Familien, deren Kinder erstmals einen Uni-Abschluss machen konnten, vergessen ihm das nie“, so die Wissenscha­fterin, die zudem meint, dass das jüngste Urteil den Ex-Präsidente­n in gewisser Weise rehabiliti­ere.

Dazu komme, dass Bolsonaro inzwischen zwar eine Art Stammwähle­rschaft habe, es aber mehr und mehr Kritiker gebe. Vor allem das miese Corona-Management werde ihm angelastet. Dazu brandaktue­lle Zahlen: In der Vorwoche entfielen elf Prozent der weltweiten Covid19-Infektione­n und 26,2 Prozent der globalen Corona-Todesfälle auf Brasilien. Mittlerwei­le müht sich der vierte Gesundheit­sminister Bolsonaros damit ab, die Krise (Sauerstoff wird schon knapp) einigermaß­en unter Kontrolle zu bringen. Auch dass Bolsonaro mit Donald Trump einen mächtigen Verbündete­n in Washington verloren hat, würde Lula in die Karten spielen, analysiert Prutsch.

Käme es 2022 zu dem Duell zwischen dem rechten Hardliner und dem linken Pragmatike­r, würden zwei Welten aufeinande­rtreffen, der Wahlkampf könnte einer der schmutzigs­ten überhaupt werden.

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Brutalität am Zuckerhut: Ein Duell Bolsonaro – Lula um die Macht würde wohl sehr schmutzig werden
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