In Brasilien droht der schmutzigste Wahlkampf, in dem Lula alle Chancen hat
Nach Höchstgerichtsurteil ist Weg frei für Showdown mit Bolsonaro
Präsidentschaft. Seinen Humor hat er auch im Gefängnis nicht verloren: Wenn er denn bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr anträte, wäre er immerhin um ein Jahr jünger als Joe Biden es war, als dieser sich 2020 ins Rennen um das Weiße Haus stürzte. Da er zusätzlich dazu kämpferische Reden schwang (der rechtspopulistische Staatschef „Jair Bolsonaro darf nicht Präsident bleiben“), war allen Beobachtern klar: Das 75-jährige ExStaatsoberhaupt Luiz Inácio Lula da Silva will es noch einmal wissen. Nach einem Höchstgerichtsurteil ist der Weg frei für den Showdown.
Die Richter hoben die Verurteilung des populären Linkspolitikers wegen Korruption und Geldwäsche (zwölf Jahre und ein Monat) auf. Und zwar aus verfahrenstechnischen Gründen. Insofern ist das kein Freispruch, aber Lula, der 580 Tage hinter Gittern verbrachte und 2019 bis zu einer höchstinstanzlichen Entscheidung freikam, erhält alle politischen Rechte wieder – eben auch zu einer Kandidatur, von der er 2018 ausgeschlossen war.
Hohe Beliebtheitswerte
„Wenn er in den Ring steigt, wovon ich ausgehe, dürfte er wohl gewinnen“, sagt die österreichische Historikerin und Brasilien-Expertin Ursula Prutsch zum KURIER. Denn Lula erfreue sich in breiten Bevölkerungskreisen weiterhin hoher Beliebtheit, sei charismatisch und gelte als ehemaliger Gewerkschaftsführer, der aus ärmsten Verhältnissen stammt, als bodenständig.
„Und, ganz wichtig, die Menschen haben die Erfolgsjahre seiner Regierungszeit (2003–2011) nicht vergessen. Viele sagen, okay, er hat auch Dreck am Stecken, aber immerhin hat er was für die Menschen getan: Die Armut sank stark, und Familien, deren Kinder erstmals einen Uni-Abschluss machen konnten, vergessen ihm das nie“, so die Wissenschafterin, die zudem meint, dass das jüngste Urteil den Ex-Präsidenten in gewisser Weise rehabilitiere.
Dazu komme, dass Bolsonaro inzwischen zwar eine Art Stammwählerschaft habe, es aber mehr und mehr Kritiker gebe. Vor allem das miese Corona-Management werde ihm angelastet. Dazu brandaktuelle Zahlen: In der Vorwoche entfielen elf Prozent der weltweiten Covid19-Infektionen und 26,2 Prozent der globalen Corona-Todesfälle auf Brasilien. Mittlerweile müht sich der vierte Gesundheitsminister Bolsonaros damit ab, die Krise (Sauerstoff wird schon knapp) einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Auch dass Bolsonaro mit Donald Trump einen mächtigen Verbündeten in Washington verloren hat, würde Lula in die Karten spielen, analysiert Prutsch.
Käme es 2022 zu dem Duell zwischen dem rechten Hardliner und dem linken Pragmatiker, würden zwei Welten aufeinandertreffen, der Wahlkampf könnte einer der schmutzigsten überhaupt werden.