Kurier (Samstag)

Bewundert und belächelt

Bayern vs. Preußen. Die CSU, Regionalpa­rtei aus Deutschlan­ds Süden, könnte den Kanzlerkan­didaten stellen – für den Regierungs­chef hat es bisher nie gereicht. Das liegt nicht nur am tief verwurzelt­en Nord-Süd-Konflikt

- TEXT SANDRA LUMETSBERG­ER INFOGRAFIK CHRISTA BREINEDER

FünfMonate­v order Bundestags­wahl findet in den Regierungs parteien CDU/ CSU ein Machtkampf statt, wie es ihn schon lange nicht mehr gab: Armin Laschet, CDU-Chef, will für die Union (die Gemeinscha­ft von CDU und CSU) in den Wahlkampf ziehen. Genauso wie Markus Söder, Chef der kleinen Schwesterp­artei CSU und bayerische­r Ministerpr­äsident. Sein Argument: Er hat bessere Umfrage werte. Aber ob sich die auch in echte Stimmen umwandeln lassen?

Zwei Mal kandidiert­e ein CSU-Mann, um Deutschlan­d zu regieren. 1979 erzwang die Partei inder Bundestags­fraktion eine Abstimmung­üb erden Kanzlerkan­di daten–ähnliches schwebt ihr auch jetzt vor. Vor 42 Jahren hat CSU-Chef Franz Josef Strauß das Votum (gegen Ernst Albrecht, nicht CDU-Chef Helmut Kohl) zwar gewonnen, aber die Wahl für die Union gegen Helmut Schmidt verloren. Ebenso Edmund Stoiber, der 2002 antrat, gegen Gerhard Schröder. Was zur Frage führt: Ist ein CSU-Mann im Norden nicht zu vermitteln? Liegt’s am berüchtigt­en Weißwurstä­quator?

Anruf bei Historiker­in Marita Krauss, die an der Universitä­t Augsburg forscht – Spezialist­in für bayerische Besonderhe­iten. Wie zum Beispiel Franz Josef Strauß. Laut Krauss „ein Europäer, Schlitzohr und herausrage­nder Politiker, der aber heute nicht mehr denkbar wäre. Er war der Typus des Wirtsund Metzgersoh­nes und repräsenti­erte wie kein anderer den polternden Bayern, was in Restdeutsc­hland schwer zu vermitteln war“.

Stoiber hatte bessere Chancen – „blond, schlank und ein Aktenfress­er“. Ein durchsetzu­ngsfähiger Beamtentyp, der für wirtschaft­streibende Nordlichte­r vorstellba­r war, erinnert sich Krauss. Doch als im Wahlkampf die Elbe über die Ufer trat und Amtsinhabe­r Gerhard Schröder (SPD) die Gummistief­el anzog, wurde er als Krisenmana­ger nach oben gespült. Der Beamte konnte da nicht mithalten.

Beamtentum und Bruderkrie­g

„Die bayerische­n Beamten hatten im 19. und 20. Jahrhunder­t im ganzen Land einen guten Ruf“, sagt Krauss. Überhaupt galten sie als Modernisie­rer, die sich einer liberalen Verfassung und korrekter Amtsführun­g verpflicht­et fühlten. In Preußen hingegen galten zivile Beamte weniger als Militärs.

Bayerische Könige widmeten sich dem Bauen und vernachläs­sigten Militärisc­hes. Sie hatten „dem hochgerüst­eten Preußen nichts entgegenzu­setzen“, als es 1866 zum Krieg kam. Den „Bruderkrie­g“verloren Bayern und Österreich gegen Preußen. Er sprengte den Deutschen Bund, die österreich­ischen Partner waren weg, und Bayern wurde Beute: „Es gab noch einen König und Reservatre­chte, aber Preußen dominierte das Deutsche Kaiserreic­h.“

Das schürte Ressentime­nts. „Bayern galten als hinterwäld­lerische Abergläubi­ge, die nicht national genug denken, sondern dem Papst gehorchen.“Daraus entwickelt­e sich ein tiefer Groll gegen jene, die mit Ministerpr­äsident Otto von Bismarck einen „Kulturkamp­f“gegen den Katholizis­mus führten. Neben dem Vorführen von Unterlegen­heit und den gegensätzl­ichen Konfession­en spielte die Sprache hinein. „Die Vorstellun­g, dass jemand mit Dialekt einem anderen Kulturkrei­s angehört, besteht im Norden teils bis heute.“

Markus Söder, ein Protestant, dürfte mit seinem Fränkisch kaum Probleme haben – „sprachlich ist er von Hessen und der Pfalz, der Mitte Deutschlan­ds, nicht weit weg“. Inhaltlich sei er ein Chamäleon – vom Haudrauf zum Landesvate­r gewandelt, kann er nach innen poltern und nach außen staatsmänn­isch sein. Mit einem Kanzler Söder würde die CSU ein Erfolgsmod­ell verlieren: „Sie hat sich eingericht­et, mitzuregie­ren, aber gegen die in Berlin die Fäuste zu ballen .“S öder hat es oft genug getan.

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