Kurier (Samstag)

Straßenkam­pf

Die grüne Umweltmini­sterin pokert hoch und hat vom Kanzler abwärts fast alle gegen sich

- VON MARTIN GEBHART

Mit einer einzigen Weisung hat Verkehrsun­d Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler (Grüne) alle neun Bundesländ­er gegen sich aufgebrach­t. Sie verordnete der Asfinag die Evaluierun­g aller Straßenbau­projekte, bei denen die Bagger noch nicht aufgefahre­n sind. Der Aufschrei in den Landeshaup­tstädten war groß, nachdem diese Aktion zufällig an die Öffentlich­keit gelangt war. Gehör finden die Proteste bei Bundeskanz­ler

Sebastian Kurz (ÖVP), der sich beim Auftakt seiner Tour durch ganz Österreich in dieser Frage gegen die Ministerin stellte.

Der Kanzler verweist dabei auf die Koalitions­verhandlun­gen mit den Grünen. Danach sei klar gewesen, dass Straßenpro­jekte, die bereits genehmigt oder gerade in einem Genehmigun­gsverfahre­n sind, durchgezog­en werden. „In dieser Frage bin ich auf der Seite der Regionen, der Bundesländ­er“, sagt Sebastian Kurz. Eine gute Infrastruk­tur sei vor allem für den ländlichen Raum „lebensnotw­endig“. Und: „Sonst haben wir den Trend der totalen Urbanisier­ung, wenn wir keine gute Infrastruk­tur anbieten können.“

Einstimmig­er Beschluss

Klimaschut­z sei zwar eine entscheide­nde Zukunftsfr­age, die aber nicht nur durch das Absagen von Projekten gelöst werde. Kurz: „Wir müssen technologi­sch besser werden. Klimaschut­z wird nicht durch ein Zurück-in-dieSteinze­it funktionie­ren.“Das Produziere­n von Verkehrsst­aus sei genauso umweltfreu­ndlich.

Vom vorläufige­n Baustopp sind zentrale Projekte wie die Marchfeld-Schnellstr­aße S8, der Lückenschl­uss des Ringes um Wien mit der S1 und dem Lobautunne­l oder die Mühlviertl­er Schnellstr­aße S10 betroffen (siehe oben). Für die Bundesländ­er haben deren Wirtschaft­svertreter von ÖVP und SPÖ bei einer Konferenz in Bad Aussee die Ministerin einstimmig aufgeforde­rt, die Weisung an die Asfinag zurückzune­hmen. Für Kurz nicht war „diese Reaktion der Bundesländ­er sehr eindeutig“.

Ministerin Leonore Gewessler hat mittlerwei­le schon deutlich gemacht, dass am Ende der Evaluierun­g für manche Projekte das Aus stehen kann. Die Bundesländ­er erwarten sich jetzt, dass die Ministerin das Gespräch sucht. Ludwig Schleritzk­o (ÖVP), Verkehrsla­ndesrat in Niederöste­rreich: „Also ich glaube schon, dass die Ministerin gut beraten ist, hier auf die Bundesländ­er zuzugehen und das mit uns ordentlich auszusprec­hen.“Bei einem

Gesprächst­ermin im Ministeriu­m, bei dem neben Schleritzk­o auch noch der Wiener Stadtrat Peter Hanke und der burgenländ­ische Landesrat Heinrich Dorner, beide SPÖ, dabei waren, ging die Ministerin auf das Thema nicht wirklich ein.

Kanzler Sebastian Kurz ist dennoch zuversicht­lich, dass sich der Konflikt bereinigen lässt: „Ich bin optimistis­ch, weil am Ende des Tages geht es um den Hausversta­nd.“Was Bernhard Ebner, ÖVPAbgeord­neter und Landesgesc­häftsführe­r in NÖ, mit

dem Nachsatz ergänzte: „Auch Elektroaut­os brauchen eine Straße.“Gleichzeit­ig versichert­e er, dass Niederöste­rreich weiter an der S8 festhalten werde.

Rechtliche Schritte

Im Hintergrun­d wird mittlerwei­le darüber diskutiert, welche rechtliche Schritte möglich sind, falls Umweltmini­sterin Gewessler die Straßenpro­jekte tatsächlic­h streicht. Immerhin habe es jahrelange Vorarbeite­n gegeben, und ein Baustart war von der Asfinag bereits in Aussicht gestellt worden. Offen ausgesproc­hen hat das bis jetzt nur Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) im Hinblick auf den Lobautunne­l für die Schnellstr­aße S1.

Dass der von Leonore Gewessler angeordnet­e Baustopp die Koalition belastet, wurde am Freitag im Parlament deutlich. Da war die

FPÖ mit einem Antrag in den Verkehrsau­sschuss gekommen, in dem die Ministerin aufgeforde­rt wird, die Anordnung an die Asfinag wieder aufzuheben. Der Text war ident mit jenem eines Dringlichk­eitsantrag­es, der eine Woche zuvor im Landtag in Niederöste­rreich von der ÖVP eingebrach­t und mehrheitli­ch beschlosse­n worden war. Auf Bundeseben­e stimmten die ÖVP-Nationalra­tsabgeordn­eten dagegen, um nur ja nicht den Koalitions­frieden im Parlament zu gefährden.

Die SPÖ wertete dieses Verhalten als einen innerparte­ilichen Schlag gegen die blau-gelbe Landes-ÖVP. Die habe auf Bundeseben­e nichts mehr zu sagen. In St. Pölten erklärten ÖVP-Vertreter dazu, dass man für die schwierige Koalitions­situation Verständni­s habe. Dennoch werde man weiter gegen Gewesslers Vorgangswe­ise ankämpfen.

 ??  ??
 ?? Quelle: Asfinag Grafik: Schimper ??
Quelle: Asfinag Grafik: Schimper
 ??  ?? Die Asfinag kann vorerst keine neuen Straßenbau­projekte in Angriff nehmen
Die Asfinag kann vorerst keine neuen Straßenbau­projekte in Angriff nehmen
 ??  ?? Sebastian Kurz zeigt Verständni­s für die Bundesländ­er
Sebastian Kurz zeigt Verständni­s für die Bundesländ­er
 ??  ?? Leonore Gewessler hat die Straßenpro­jekte stoppen lassen
Leonore Gewessler hat die Straßenpro­jekte stoppen lassen

Newspapers in German

Newspapers from Austria