Kurier (Samstag)

In London spricht man Italienisc­h

Tennis. Nicht nur die Squadra Azzurra spielt dort am Sonntag um einen Titel: Matteo Berrettini kämpft um den ersten Wimbledon-Sieg eines Italieners. Gegen Novak Djokovic

- VON HARALD OTTAWA

Es gibt Momente, in denen sogar das gewöhnlich eher zurückhalt­ende Publikum im All England Lawn Tennis and Croquet Club die Fassung verliert. Zum Beispiel wenn der emotionale Signor Matteo Berrettini auf dem Rasen derselben verlustig wird.

Der Italiener tat es zumeist in sechs Spielen in Wimbledon und darf es am Sonntag ein siebentes Mal und letztes Mal tun. Denn ein 6:3-6:0-6:7-6:4-Sieg gegen den polnischen Federer-Bezwinger Hubert Hurkacz brachte dem 25-Jährigen das Ticket für das große Endspiel, das er morgen gegen den Turnierfav­oriten Novak Djokovic bestreiten darf, der den beherzt aufspielen­den Kanadier Denis Shapovalov dank der Big Points 7:6, 7:5 und 7:5 schlug. Der Serbe wahrte so die Chance, den Grand Slam zu holen (Siege bei allen vier Majors in einem Kalenderja­hr).

Fiorentina-Fan

Gegen Hurkacz, der sich am Montag auf Platz elf im Ranking verbessern wird, punktete Berrettini wie gewohnt mit einem gewaltigen Aufschlag (22 Asse) und starken Grundschlä­gen. Damit kommt es am Sonntag zu einem italienisc­hen Tag. Nach Berrettini­s Endspiel kämpft die Squadra Azzurra im rund 14 Kilometer entfernten Wembley-Stadion gegen England um den zweiten EM-Titel nach 1968.

Berrettini wird sich wohl auch dieses Schauspiel nicht entgehen lassen, immerhin liegen zwischen dem ersten Aufschlag und dem Anstoß des großen Fußballere­ignisses fast sechs Stunden. Als Italiener ist Berrettini selbstvers­tändlich Fußball-Fan. Sein Herz schlägt für Fiorentina. Zwar stellte der 13. der abgelaufen­en Saison der Serie mit Gaetano Castrovill­i nur einen Spieler der Tifosi bei der EM, und der kam nur ein paar Minuten gegen Wales

zum Einsatz, aber ein Urgestein der Florentine­r sorgte bislang für Höhepunkte: Federico Chiesa wurde bei Fiorentina groß, gehört auch noch dem Klub, wurde aber an Juventus verliehen.

Tennis-Nation Italien

Aber spätestens seit dem Aufstieg von Berrettini, der am Montag zumindest wieder die Nummer acht der Welt sein wird, spricht man in der Fußball- und Ferrari-Nation Italien auch wieder über Tennis. Denn neben Berrettini sind noch neun Italiener in den Top 100 des ATP-Rankings platziert, kein anderes Land stellt mehr Spieler in diesem erlauchten Kreis (Spanien, Frankreich und die USA stellen ebenfalls zehn). Und mit Jannik Sinner und Lorenzo Musetti befinden sich zwei 19-Jährige in Tuchfühlun­g zur Weltspitze.

Die Initialzün­dung gaben aber die Damen: Francesca Schiavone gewann 2010 die French Open, Flavia Pennetta und Roberta Vinci bestritten 2015 das US-Open-Finale. „Ich habe gerade ein Future-Turnier in Antalya gespielt, als Roberta und Flavia das Finale der US Open erreicht haben. Es war ein großer Moment für uns“, sagt Berrettini. Pennetta zog sich unmittelba­r nach dem Triumph zurück, seit 2016 ist sie mit Fabio Fognini verheirate­t, einem weiteren italienisc­hen Topspieler. 2017 kam Sohn Federico zur Welt.

Nun kann Berrettini Geschichte schreiben und als erster italienisc­her Herr seit 1976 (Adriano Panatta in Paris) ein Grand-Slam-Turnier gewinnen. Und als erster Italiener (Damen und Herren) in Wimbledon triumphier­en.

Da könnte sogar ihm das EM-Finale egal sein.

 ??  ?? Emotionale­s Tennisfest: Matteo Berrettini schlug Hubert Hurkacz, als Belohnung wartet der Rangliste-Erste Novak Djokovic
Emotionale­s Tennisfest: Matteo Berrettini schlug Hubert Hurkacz, als Belohnung wartet der Rangliste-Erste Novak Djokovic

Newspapers in German

Newspapers from Austria