Der Freund an seiner Seite
Mancini holte den krebskranken Vialli zum Team
Zwillinge. 20. Mai 1992. Im Wembley-Stadion wird das Finale im Europacup der Landesmeister ausgespielt. Das letzte, denn im Herbst ersetzte die Champions League den guten alten Meistercup. Der FC Barcelona, eine Startruppe mit Guardiola, Stoitschkow, Koeman, Laudrup, die von Johan Cruyff trainiert wurde, traf auf Italiener. Aber es war keiner der großen Klubs, sondern Sampdoria Genua. Ronald Koeman erzielte erst in der Verlängerung das entscheidende 1:0. Unter den enttäuschten Verlierern waren Gianluca Vialli und Roberto Mancini, zwei dicke Freunde, die „gemelli del gol“.
Vialli war Mittelstürmer und Lebemann, ein sonniges Gemüt. Mancini war ein technisch feiner, fast genialer offensiver Mittelfeldspieler – ein scheuer Aristokrat. Die Tor-Zwillinge gewannen mit Sampdoria 1990 den Europacup der Cupsieger und 1991 die Meisterschaft – die einzige der Klubgeschichte und die letzte, die nicht an einen Klub aus Mailand, Turin oder Rom ging.
Mancini und Vialli kommen am Sonntag wieder ins Wembley-Stadion. 29 Jahre später wollen sie es mit einem großen Titel wieder verlassen: Roberto Mancini, der Commissario Technico, der Teamchef von Italien, und Gianluca Vialli, der Capo Delegazione. Mancini, der im November 57 Jahre alt wird, wurde in Jesi in der Provinz Ancona geboren. Er kam im Jahr 1982 zu Sampdoria und blieb bis 1997, danach war er noch drei Jahre bei Lazio und einen Monat in Leicester. Vialli, der am Freitag 57 Jahre alt wurde, wurde in Cremona geboren, spielte von 1984 bis 1992 bei Sampdoria, danach vier Jahre bei Juventus und drei bei Chelsea.
Der Schock
Gianluca Vialli hat Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er hat ihn fürs Erste besiegt, aber Gewissheit gibt es wohl nie. Während seines Kampfes gegen den Tumor hat er so viel Gewicht verloren, dass er unter dem Hemd einen Pullover getragen hat, damit sich die Leute nicht erschrecken.
Als Vialli erkrankte, brauchte Mancini ein paar Tage, um sich zu sammeln, bevor er seinen Freund anrief. Nach Operation und Reha hat ihn Mancini ins Nationalteam geholt. Damals sahen viele darin eine persönliche Gefälligkeit, manche sogar eine Art Gnadenakt.
Doch Vialli wurde zum großen Motivator. Der Fernsehsender Rai hat vor der EM eine Miniserie gedreht, in der Vialli in einem Besprechungsraum im Teamcamp in Coverciano über seinen Kampf gegen den Krebs redet. Er vermittelt den Spielern, dass es sich lohnt zu kämpfen, um jedes Tor, um jeden Ball, gegen den Krebs. „Es gibt noch so viele Dinge in diesem Leben, die ich schaffen möchte.“Den EM-Titel etwa. Mancini und Vialli formten aus Spielern, die sich nur alle paar Monate treffen, eine Truppe.