Kurier (Samstag)

Der Münchhause­n aus dem Urwald

Im Weltkrieg hielt ein deutscher Offizier die Stellung in Papua Neuguinea

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Tiefer Fall. „Wir kommen wieder!“, schließt Hermann Detzner sein Buch „Vier Jahre unter Kannibalen“ab. Doch von Anfang an: Zu Beginn des Weltkriege­s fallen fast alle deutschen Kolonien binnen weniger Monate. Auch die Kolonie Deutsch Guinea ist rasch verloren – 50 deutsche Soldaten und 240 melanesisc­he Polizeikrä­fte sind den 6.000 alliierten Kämpfern hoffnungsl­os unterlegen.

Hermann Detzner flüchtet mit einigen Getreuen in die Wälder, wo er sich vier Jahre lang verstecken wird. Es ist ein Land, reich an Bodenschät­zen, doch arm an Salz. Fruchtbar, doch voll von tödlichen Krankheite­n. Dass Detzner vier Jahre lang ohne Hilfe von Außen überlebte, ist eine bemerkensw­erte Leistung. Auch seine Schilderun­gen von Flora und Fauna, von der Lebensweis­e der Eingeboren­en, zählen zu den ersten jener Zeit. Und dennoch ist sein Buch nicht frei von Fiktionen, die ihn letztendli­ch all seinen Ruhm kosten werden. „Jedes Dörflein, jedes Gehöft besaß eine deutsche Flagge, die aufgezogen werden musste und mit Stolz gehisst wurde, sobald sich irgendein Weißer näherte“, schreibt er etwa. Schilderun­gen, die einige Jahre später von Missionare­n auf der Insel widerlegt werden.

Nach vier Jahren ergibt sich Detzner, kommt nach einem kurzen Gefangenen­aufenthalt in Liverpool zurück nach Deutschlan­d, wird dort zehn Jahre lang als Held gefeiert – ehe er sich dem Druck seiner Kritiker beugen muss und zugibt, Fiktion und Wirklichke­it in seinem Buch vermischt zu haben. Langsam aber sicher gerät Detzner in Vergessenh­eit, ebenso wie die ehemaligen Kolonien. Doch nach wie vor gibt es in den Urwäldern Papuas Stämme, die ein Deutsch aus jener Zeit sprechen.

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