Kurier (Samstag)

Nicht einmal die Rotzfarbe darf man sich aussuchen

Sein erster (Film-)Roman – „Es war einmal in Hollywood“

- PETER PISA

Quentin Tarantinos neunter Film „Once Upon a Time in Hollywood“ist ein Abgesang auf das alte Hollywood, und oft ist er langweilig.

Aber er hat Brad Pitt zu bieten und Leonardo DiCaprio und Brad Pitts Hund und die Musik, und das alles macht’s besser.

Jetzt kommt Tarantinos erster Roman. Der amerikanis­che Regisseur sieht sich vor allem als Schreiber, wie er in einem KURIER-Interview 2019 gesagt hat.

Er hat den Roman zu seinem Film geschriebe­n, angereiche­rt, aber ohne Pitt, ohne DiCaprio, ohne Hund ...

Haartolle out

„Es war einmal in Hollywood“ist trotzdem nicht noch zähflüssig­er. Das Buch hält sich meist ans Drehbuch. Es ist mehr Platz, um viele Namen fallen zu lassen.

Es gibt Quentin Tarantino Gelegenhei­t, den tyrannisch­en Regisseur Otto Preminger und Stewart Granger (= Old Surehand) zu beschimpfe­n und die Trinker von Hollywood aufzuliste­n.

Kurz wird erzählt, was der Film verschwieg­en hat – wie Cliffs Ehefrau umgekommen ist zum Beispiel. Der Schluss wurde umgestalte­t.

Cliff Booth ist Stuntman. Er ist Stunt-Double, Chauffeur und Freund von Rick Dalton, der ein berühmter TV-Westernhel­d war.

Jetzt, 1969, ist Dalton ziemlich out. Er hat den Übergang von der Haartolle zum zotteligen Helden nicht geschafft bzw. vom Fernsehen zum Kinofilm.

Wie Ty Hardin, der 1958 bis 1962 „Bronco“war und danach nichts mehr; außer acht Mal verheirate­t.

Rick Dalton hat immerhin eine Villa mit Pool gerettet. Und ein neuer Nachbar ist eingezogen: Roman

Polanski, seit „Rosemary’s Baby“der angesagtes­te Regisseur der Branche. Er und Sharon Tate feiern Partys. Steve McQueen schaut im Porsche vorbei.

Jetzt kommt Tarantinos Fantasie ins Spiel:

Sharon Tate wird nicht von der Manson-Family ermordet – die „Teufel“dringen bei Dalton und Cliff ein. Der Stuntman ist noch gut in Form.

Ein Autor muss schon sehr von sich überzeugt sein, wenn er wenig unternimmt, um bei Laune zu halten.

Den Roman lässt er mit einem überlangen Dialog beginnen. Mit Leonardo DiCaprio dauert er Sekunden.

Dann kommt noch hinzu, dass man, falls jemand unbedingt will, auch auf im Internet

auf Wikipedia erfahren kann, dass William Wyler überlegt hat, den Italiener Cesare Danova als „Ben Hur“zu besetzen, nicht Charlton Heston.

Tarantino macht Film im Buch und lässt die Leser kaum etwas ausmalen. Sogar die Farbe eines Rotzklumpe­ns gibt er vor.

Noch etwas Schönes: Im Film sagt Rick zu einem gut 70-jährigen Agenten, der ihm Filmrollen in Italien vermittelt, bei der ersten Begegnung: „Darauf können Sie Ihren Hintern verwetten ...“

Im Buch legt er noch eins drauf, da sagt er zu dem alten Mann: „Worauf Sie Ihren süßen Arsch verwetten können.“– Muss man sich merken, für den Umgang mit Respektspe­rsonen.

 ??  ?? Quentin Tarantino vor der Leinwand während „Once Upon a Time in Hollywood“
Quentin Tarantino vor der Leinwand während „Once Upon a Time in Hollywood“
 ??  ?? Quentin Tarantino: „Es war einmal in Hollywood“Übersetzt von Thomas Melle und Stephan Kleiner. Kiepenheue­r & Witsch. 416 Seiten. 25,95 Euro
Quentin Tarantino: „Es war einmal in Hollywood“Übersetzt von Thomas Melle und Stephan Kleiner. Kiepenheue­r & Witsch. 416 Seiten. 25,95 Euro
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