Kurier (Samstag)

Mit der Verwesung ist vorerst Schluss

Der Brite Simon Beckett startet eine neue Serie, und zwar fulminant

- P. PISA

Die Verlorenen. Simon Beckett macht die Umstellung leicht. Es muss wirklich nicht immer Fäulnis und Verwesung sein. Selbst wenn Leichen zeitweise nach frisch gemähtem Gras riechen, muss es nicht sein.

Denn auch jetzt, bei „Die Verlorenen“, geht der Atem schwer, und so soll es beim Lesen mancher Bücher sein. Erste Szene: Detective Sergeant Jonah Colley wird von einem Kollegen (und ehemaligen Freund), mit dem er allerdings seit zehn Jahren keinen Kontakt hat, telefonisc­h um Hilfe gebeten. Er fährt deshalb an die Themse zu den Lagerhalle­n am Slaughter Quay, dem Kai der Schlachter ... und findet: den Kollegen tot und vier Leichen, die Köpfe in Plastiksac­kerln. Das heißt, eine Frau atmet noch. Jonah wird niedergesc­hlagen, bekommt Kabelbinde­r an Arme und Beine, ein Knie wird ihm mehrfach gebrochen. Umblättern, gleich folgt ...

Fehler machen

Szene zwei, zehn Jahre vorher:

Seine Ehe ist am Ende, Jonah Colley ist mit seinem heiß geliebten Sohn Theo auf dem Spielplatz. Nach zu vielen Nachtdiens­ten nickt er ein, und als er aufwacht, ist der Vierjährig­e weg. Theos Mütze liegt auf dem Boden, ein Schuh steckt in einem Gitter. Es heißt, er sei in einen ungesicher­ten Kanal

geklettert und vom Wasser mitgerisse­n worden.

Beckett wird den Kreis schließen; wobei es am Ende schon eine Zitterpart­ie ist, damit es halbwegs rund wird.

Der Brite hatte die Lust an seiner Bestseller­serie mit dem forensisch­en Anthropolo­gen bzw. Rechtsmedi­ziner David Hunter verloren (von „Die Chemie des Todes“, 2006, bis

„Die ewigen Toten“, 2019). Die Leser haben vermutlich nicht. Aber Beckett wollte etwas Neues probieren. Etwas Altes: Ein „normaler“Polizist sollte Held sein, der nichts Besonderes kann, der Fehler macht, dem die Welt seit dem Verschwind­en seines Sohnes fremd geworden ist.

Auch der Thriller zum Serienstar­t hat keine Sensatione­n. Wie Beckett jedoch Bekanntes anordnet, wie er beim Schreiben Ruhe bewahrt und fast seriös erzählt, ist einzig. Über Schwachste­llen hüpft er locker.

Die deutsche Übersetzun­g hat das Original überholt: In Großbritan­nien wird man sich erst Ende 2021 davon überzeugen können, dass es ohne Moder geht.

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War Hausmeiste­r, Lehrer, Schlagzeug­er: Simon Beckett
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„Die Verlorenen“Übersetzt von Karen Witthuhn und Sabine Längsfeld. Wunderlich Verlag.
416 Seiten. 24,70 Euro
Simon Beckett: „Die Verlorenen“Übersetzt von Karen Witthuhn und Sabine Längsfeld. Wunderlich Verlag. 416 Seiten. 24,70 Euro

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