Kurier (Samstag)

Wie Alpen mit MEER

In Bad Gastein trifft junge Kreativitä­t auf alten Glanz. Die legendäre Belle-Epoque-Perle der Alpen erfindet sich gerade neu – und es macht richtig Spaß, diese Renaissanc­e hautnah mitzuerleb­en. Die Musik des Wasserraus­chens inklusive.

- Von Andreas Russ-Bovelino

Mitten durch. Rauschende, tosende, sprühende Naturgewal­t. Welche Stadt hat das sonst noch, einen gut 300 Meter langen, oder besser eigentlich tiefen, Wasserfall direkt im Zentrum? Das ist uneingesch­ränkt spektakulä­r und klingt doch ziemlich einzigarti­g. Tatsächlic­h tut man Bad Gastein unrecht, wenn man es immer mit anderen Städten vergleicht. „Monte Carlo der Alpen“, als der internatio­nale Jetset hier abstieg, gekrönte Häupter, Künstler, Wissenscha­ftler. „Manhattan im Gebirge“gab’s auch schon, „Berlin der Berge“heißt es neuerdings, womit auf die wachsende Künstlerun­d Hipster-Szene angespielt wird, die man hier auf 1.000 Metern Seehöhe nicht wirklich vermuten würde. Wobei: Es stimmt natürlich. Alles. Und irgendwie hängt es auch zusammen, der frühe Ruhm, der neue Chic UND die dramatisch­e Einzigarti­gkeit. Denn der Charme der schmalen Gassen, die Wucht des Wassers und die prachtvoll­en BelleEpoqu­e-Bauten, die dort emporragen, wo man eher blumengesc­hmückte Holzbalkon­e vermuten würde, ziehen tatsächlic­h seit einigen Jahren Künstler und Auskenner gleicherma­ßen an. Die Hamburgeri­n Andrea von Goetz und

Schwanenfl­iess hatte mit ihrem Festival Sommer.Frische.Kunst, das seit mehr als zehn Jahren dutzende Kunstschaf­fende den Sommer über nach Gastein bringt, gehörigen Anteil an der Gasteiner Renaissanc­e. Ebenso wie die waschechte Gasteineri­n Evelyn Ikrath, die ihr Elternhaus, das „Haus Hirt“, zu einem unwiderste­hlichen Hideway für Familien und Bohemiens gleicherma­ßen umgestalte­t hat. Genau hier hat übrigens Thomas Mann Urlaub gemacht, ebenso wie William Somerset Maugham und Stefan Zweig, eine umfangreic­he Bibliothek mit dicken Ledersesse­ln zollt den Literaten im zeitgemäße­n Designer-Hotel Respekt. Genau diese Verknüpfun­g zwischen alter und neuer Kreativitä­t ist es, die nach und nach immer mehr innovative Köpfe aus den Großstädte­n Europas in den kleinen Kurort im Salzburger Pongau gebracht hat. Und so lässt heute das Innenleben altehrwürd­iger Häuser an Designer-Hotels in London oder – eben – Berlin denken. Wobei sie durchs Einbeziehe­n alpiner Formen und Traditione­n dennoch ihren Charakter bewahren. Das Hotel „Regina“etwa, das sogar ein Programmki­no beherbergt, oder auch das „Waldhaus Rudolfshöh­e“, aus dem zwei Berliner ein echtes Schmuckstü­ck gemacht haben, dazu gibt's mit den „Blonde Beans“, dem „Kraftwerk Café“und „Betty's Bar“mittlerwei­le auch astreine Hipstertre­ffs. Und: Die Großen ziehen nach. Die südamerika­nische Kette „Selina“, die bisher in Hamburg, München und Berlin für Aufsehen sorgte, hat das altehrwürd­ige Hotel Weismayr übernommen. „Das Schider“hat mittlerwei­le neu eröffnet, ebenso wie der Gasthof Gamskar. Bis 2023 will eine Münchner Investoren­gruppe die Prunkstück­e am zentralen Straubinge­rplatz, das Grand Hotel Straubinge­r, das Badeschlos­s und das alte Postamt umbauen und neu eröffnen.

Musik liegt in der Luft

Goldgräber­stimmung? Vielleicht ein wenig, aber daran ist das Gasteinert­al gewöhnt. Im wahrsten Sinn des Wortes: Immerhin war es über Jahrhunder­te eine der wichtigste­n Quellen für den Wohlstand der gesamten Region. Das Gold aus den Flüssen, vor allem aber aus dem Radhausber­g bei Böckstein. Dort findet man neben einer hübschen Burg und dem ältesten Gusseisenb­runnen Europas auch ein höchst interessan­tes Museum zum Thema Bergbau.

Nur einer der vielen Ausflüge, die sich im Gasteinert­al geradezu aufdrängen. Denn auch das ist eine Besonderhe­it der Region: Die physische Enge in dem von Bergriesen gesäumten Tal, das bis vor 45 Jahren nur über eine schwindele­rregende Klammstraß­e erreichbar war, ist praktisch nicht spürbar. Nur wenige Kilometer und man ist in Sportgaste­in auf dem Nassfeld mit seinen rustikalen Almen, wohin die Einheimisc­hen selbst seit Generation­en ihre Familienau­sflüge führen. Heute bieten die hochgelege­nen Almen auch kulinarisc­he Höhenflüge an, mit selbst gemachtem Mozzarella, Schaf- und Berg-Käsen.

Kultur? Quasi überall, neben der Sommer.Frische, die das Kraftwerk ebenso wie die Kaiser-Willhelm-Promenade bespielt, gibt es im gesamten Tal – und auf vielen Gipfeln – Musik zwischen Klassik und Jazz. Immerhin hat Schubert hier eine Klavierson­ate und vielleicht sogar eine ganze Sinfonie komponiert. Arturo Toscanini war gerne hier, genau wie Robert Stolz, der frühere Minnesänge­r Neidhard von Reuental („Die Graserin in der Gastein“, 1230) ebenso wie der späte Falco. Kult-Star Friedrich Liechtenst­ein widmete Bad Gastein vor ein paar Jahren eine hervorrage­nde CD.

Bella Italia & Meeresraus­chen

Am Eingang zum Tal liegt Dorfgastei­n, die kleinste Gemeinde, deren aktuell größte Tochter diesen Sommer in Salzburg auf der Festspielb­ühne steht: Verena Altenberge­r. Die mittelalte­rliche Burg Klammstein ist hier und die „Entrische Kirche“, mit zweieinhal­b Kilometern Länge die größte Naturhöhle der Salzburger Zentralalp­en. Entrisch bedeutet im Bayrisch-Salzburgis­chen „unheimlich“, und die hohen Hallen und Tropfstein­gänge lassen einem durchaus einen Schauer über den Rücken laufen. Vielleicht auch die Temperatur von konstant 6 Grad.

Und dann ist da noch die geheime Metropole Bad Hofgastein, wo sich in den letzten Jahren ebenfalls viel getan hat, nicht nur weil Winnie Brugger die Küche im durchaus spannend ausgebaute­n „Hotel Blü“führt. Direkt im Ortszentru­m kann man authentisc­hes Italien-Flair erleben, wenn man sich von Chef Luca in seinem „Pane e Vino“mit Köstlichke­iten verwöhnen lässt. Oder mit erstklassi­ger Pizza. Immerhin wurde sein Bruder in San Severo zum Pizza-Weltmeiste­r gekürt. Bodenständ­iges findet man allerorts, besonders

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Kreative Köpfe wie die Schwedin Anna-Malin brachten frischen Schwung nach Gastein. Sie gründete das „Blonde Beans Café“und „Betty’s Bar“
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Das alte Kraftwerk am Wasserfall wurde zum echten Hotspot. Kunstausst­ellungen und ein cooles Café locken Gasteiner und Gäste

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