Kurier (Samstag)

welt FABELHAFTE

- Vea Kaiser vea.kaiser@kurier.at

Unter uns Menschlein gibt es die praktisch und die theoretisc­h veranlagte­n. Und dazwischen diverse Mischforme­n wie mich, die grundsätzl­ich alle Aufgaben bereitwill­ig in Angriff nehmen, sich davor jedoch fast zwangsgest­ört mit ihrer Theorie auseinande­rsetzen müssen. Wir bewahren Bedienungs­anleitunge­n auf, selbst wenn sich das zu bedienende Gerät nicht mehr in unserem Besitz befindet. Natürlich verfügen wir über meterweise Kochbücher, Reiseführe­r oder Ratgeber wie: Hundeerzie­hung, Orchideenp­flege, Häkeln für Dummies. Zur Überraschu­ng all meiner Liebsten habe ich keinen einzigen Ratgeber zu Schwangers­chaft oder Geburt gelesen. Ich würde gern prahlen, das läge an meinem Urvertraue­n in den weiblichen Körper, hat aber damit zu tun, dass ich im Stress bin. Ich versuche, pränatal noch all jene Klassiker des frühen 20. Jh. zu verschling­en, die ich schon lange lesen wollte. Angehörige der „Schlafentz­ugsgemeins­chaft“, wie Prinz

William die Elternscha­ft nannte, meinten, die nächste Gelegenhei­t dazu ergäbe sich in achtzehn Jahren.

Es gibt nur ein Problem: In all meinen Lektüren wird von wochenlang­er Sommerfris­che im Salzkammer­gut oder den Salzburger Bergen geschwärmt. Erzählt wird von Daunendeck­en, unter welchen man sich in der Kälte einer Bergnacht verkriecht, von Wanderunge­n, deren malerische­s Panorama die Seele verändert, von anregenden Gesprächen am See, die den Geist in klaren wildromant­ischen Mußestunde­n erfrischen. Beschriebe­n wird alles, was sich ein im Hochsommer auf dem Sofa gestrandet­er Walfisch sehnlichst wünscht: Kühle, Bewegung, reger intellektu­eller Austausch. Ich lese, leide, schwitze und tröste mich damit, dass ich zumindest auf die nächste Gelegenhei­t zur Sommerfris­che keine achtzehn Jahre warten muss. Mein Kind ahnt es zwar noch nicht, aber seine ersten Wanderschu­he sind hiermit gekauft!

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