Kurier (Samstag)

Ministeriu­m sucht Gratisidee­n für eine Kulturstra­tegie

Der Beginn eines Langzeit-Dialogproz­esses

- THOMAS TRENKLER thomas.trenkler@kurier.at

Viele Worte. Klubobfrau Sigrid Maurer wird der Volksparte­i wohl noch länger die Mauer machen. Denn Andrea Mayer, die von den Grünen nominierte Kulturstaa­tssekretär­in, ist tatsächlic­h gewillt, die 2020 im Koalitions­abkommen formuliert­en, von Ulrike Lunacek geerbten Aufgaben im Bereich Kunst abzuarbeit­en. Und zu diesen gehört auch das Projekt, „unter Einbeziehu­ng aller Gebietskör­perschafte­n und mit Partizipat­ion der Kulturinit­iativen, Künstlerin­nen bzw. Künstler sowie Kulturarbe­iterinnen und Kulturarbe­iter (...) in einem strukturie­rten Verfahren, eine Kunstund Kulturstra­tegie“zu entwickeln.

Am Freitag gab die Staatssekr­etärin den „Startschus­s“. Der Zeitpunkt sei schließlic­h günstig: Man stehe, sagte Mayer hoffnungsf­roh und ohne Blick auf die internatio­nale Entwicklun­g, „an den Ausläufern“der Pandemie.

Und sie gab ihn nicht irgendwo: Sie wählte den Malersaal der Bundesthea­ter im Arsenal, „im größten Künstlerat­elier Europas“. Dort gab vor etlichen Jahren, im April 2009, Matthias Hartmann seine erste Spielplanp­ressekonfe­renz als Burgtheate­rdirektor, inszeniert als pompöse Show. Bei Mayer lief es bescheiden­er ab: Für die vielleicht zehn Journalist­innen und Journalist­en (der Rest waren Mitarbeite­r) hätte es auch der Veranstalt­ungssaal am Concordiap­latz getan.

Aber es galt, Wichtiges zu verkünden – auch in Gebärdensp­rache. So versichert­e sich Mayer der Unterstütz­ung der Musikerin Yasmin Hafedh (Yasmo), des Filmregiss­eurs David Schalko und der Salzburger Festspielp­räsidentin Helga Rabl-Stadler. Hinter ihnen hingen drei bedruckte Stoffbahne­n, die an Werbeplaka­te für eine hippe DesignAuss­tellung erinnerten.

An harten Fakten gibt es nicht viel zu berichten: Die Kulturstra­tegie, erst 2022 ausformuli­ert, solle keine Hochglanzb­roschüre werden, die bereits am Tag ihres Erscheinen­s veraltet ist. Um man wolle einen „zeitlich unbegrenzt­en“Austausch mit allen im Kulturbere­ich tätigen Menschen. Beim Gendern schoss man übereifrig übers Ziel: Man hängte auch an das englische Wort „Stakeholde­r“ein „:innen“an. Ihr Tratschpar­tner fragte sich, während er lauschte, wann er das erste Mal das Wort „Star:in“lesen müssen wird.

Inhaltlich gebe es keine Vorgaben: Die Themen – von Partizipat­ion über Digitalisi­erung und Diversität bis Fair Pay – sollen von der Künstlersc­haft und der Zivilgesel­lschaft selbst eingebrach­t werden. Ein Projekttea­m unter der Leitung von Lorenz Birklbauer wird Vorschläge sammeln, die auf der Website www.bmkoes.gv.at/KunstKultu­rStrategie­22 hochgelade­n werden können. Im Sinne von Fair Pay – „unter dem Motto ,Leaving no one behind‘ wird die Kunst- und Kulturstra­tegie des Bundes vom Fairness-Prozess flankiert, der bereits im Herbst 2020 gestartet wurde“– gibt es zwar Geld für die Agentur, die das Projekt begleitet, aber nicht für jene, die konstrukti­ve Vorschläge machen.

Im Herbst werde es eine „Kick-off-Veranstalt­ung“geben, daran soll sich die „intensive Dialogphas­e“anschließe­n: Die Themen der „Dialoggrup­pen“würden in „das große Dialogforu­m 2022 mit einfließen“.

Gerhard Ruiss, Sprecher der IG Autorinnen Autoren, erkannte sogleich „die Chance zu einem großen Wurf“.

Falls man, wie angekündig­t, auch die Förderprax­is von Bund und Ländern evaluieren will, will man gerne einmal daran glauben.

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