Der Handyman, der das Land erschüttert
Thomas Schmid. Er liebte seinen Kanzler – und wird zum Stolperstein von Sebastian Kurz. Wieso haben die Türkisen dem Tiroler mit ausgeprägtem Machtstreben vertraut und wie gut kannten einander Kurz und Schmid?
Es klingt fast wie die bittere Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet jener Mann, der als Prototyp des Karrieristen gilt, die Karriere von Kanzler Sebastian Kurz beenden könnte.
Thomas Schmid und seine 300.000 toxischen Chats („Ich liebe meinen Kanzler“, „Pöbel“auf Reisen, „Jetzt kann Kurz Geld scheißen“), von denen erst rund ein Drittel ausgewertet sein soll, entwickelten sich zur türkisen Zeitbombe – und zum Schatz der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Kurz vor der Hausdurchsuchung im Herbst 2019 hatte der damalige ÖBAG-Chef sein Handy auf Werkseinstellung zurückgesetzt und damit fürs Erste unbrauchbar gemacht. Trotzdem konnte eine immense Zahl von gelöschten digitalen Spuren von den IT-Experten der WKStA rekonstruiert werden. Während der Razzia soll der 45-Jährige fast einen Zusammenbruch bekommen haben – wahrscheinlich wusste er, welche Goldgrube den Ermittlern in die Hände gefallen war.
Wenn man heute den Namen Schmid gegenüber hochrangigen Türkisen fallen lässt, dann hört man Zuschreibungen wie „ein Vollidiot, der mit seiner Wichtigtuerei, die Regierung in die Krise stürzte“.
Harter Verhandler
Aber wer ist der mysteriöse Thomas Schmid? Wie wurde er so mächtig? Und ab wann bestimmte die Hybris sein Handeln?
Wegbegleiter beschreiben den Tiroler als „äußerst machtbewusst“und „unheimlich effektiv“. Schmid, der mit Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger ins Finanzministerium wechselte, entwickelte sich schnell zum Hausherrn im Winterpalais des Prinz Eugen – auch weil sowohl Hans Jörg Schelling als auch Hartwig Löger Quereinsteiger waren.
Als Kabinettschef und später als Generalsekretär verhandelte er federführend die Budgets mit den jeweiligen Ressorts. „Er konnte sämtliche Budgetkennziffern herunterrasseln. Zu jeder Verhandlung kam er extrem gut vorbereitet. Schmid war ein extrem harter Verhandler“, erzählt ein Sektionschef. Auch Löger betonte, dass er sein erstes Budget als Finanzminister nicht ohne Schmid zustande gebracht hätte.
Doch wehe, man war Schmid nicht sympathisch, ein Dorn im Auge oder ein Hindernis für seine Karriere. „Er war ein Zyniker vor dem Herrn. Jene, die Schmid nicht mochte, hatten mitunter kein leichtes Leben im Finanzministerium“, schildert ein ehemaliger Kollege. Vom rüden Ton Schmids zeugen seine dreisten Chats. Empathie war nicht die Stärke des Thomas Schmid – Machtspiele dagegen schon. „Ich könnte nicht sagen, ob Schmid je ein anderes politisches Anliegen hatte als seine Karriere“, so der Ex-Kollege.
Selbst als er im Frühjahr 2019 als Alleinvorstand in die ÖBAG wechselte, wollte er die Kontrolle über das Finanzministerium behalten: Schmid präsentierte ungefragt Löger seinen Nachfolger als Generalsekretär. Außerdem schlug er dem damaligen Finanzminister vor, dass es einmal pro Woche einen Jour fixe zwischen ihm, Schmid, sowie dem neuen Kabinettschef und dem neuen Generalsekretär geben sollte, damit er weiterhin alle Fäden in der Hand hätte. Löger lehnte ab, wollte sich sein Team selbst auswählen und sich nicht von Schmid diktieren lassen. Ab diesem Zeitpunkt herrschte Eiszeit zwischen Löger und Schmid.
Schmid & Kurz
Der gelernte Jurist startete seine Karriere beim EU-Abgeordneten Paul Rübig. Bei seiner Rückkehr nach Wien dockte Thomas Schmid erst bei Ex-Finanzminister KarlHeinz Grasser im Pressebüro an. Später diente er Wolfgang
Schüssel als dessen Büroleiter im ÖVP-Klub und landete dann als Pressesprecher bei Außenminister Michael Spindelegger, der auch Sebastian Kurz in die Regierung holte.
Kurz und Schmid – wie gut kannten sie einander? Eine Frage, die auch die WKStA intensiv recherchiert. Für das Strafverfahren ist extrem wichtig, dass die WKStA nachweisen kann, dass Kurz über die Inseratenkorruption Bescheid wusste und nicht Schmid eigenständig agierte.
Im WKStA-Bericht über die Datenauswertung der neuen Chats gibt es daher ein eigenes Kapitel, welches das Verhältnis zwischen Kurz und Schmid auf zwölf Seiten beleuchtet. Die WKStA kommt zur Conclusio, dass Schmid und Kurz seit Jahren gut befreundet sind: Regelmäßig gingen sie wandern, berieten sich in politischen Fragen, lästerten über Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner („… ist ein Linksdilettant und ein riesen Oasch!“; siehe Chats rechts), als dieser sein Buch präsentierte und schickten einander zum Geburtstag Glückwünsche. Kurz antwortete stets mit „Danke für deine Freundschaft! AL Sebastian“. Eine Freundschaft, die Kurz zum Verhängnis wurde.
„Er konnte sämtliche Budgetkennziffern herunterrasseln. Schmid war ein extrem harter Verhandler“Ein Sektionschef über Thomas Schmid „Ich könnte nicht sagen, ob Schmid je ein anderes politisches Anliegen hatte als seine Karriere“Ex-Kollege von Thomas Schmid