Die Stunde des Herbert Kickl: FPÖ-Chef hat die Qual der Wahl
Blaue können neuer Koalition Mehrheit verschaffen – oder einem Neuwahlantrag
Szenarien. Eine Fortsetzung der Koalition mit einem Innenminister Herbert Kickl? Unmöglich, bekundete die ÖVP nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos im Mai 2019. Der Rest ist Geschichte: Die FPÖ opferte ihren Innenminister nicht, TürkisBlau zerbrach, das Parlament sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz daraufhin das Misstrauen aus.
Nun ist Kickl in einer komfortablen Situation: Sollte sich Türkis-Grün in den folgenden Tagen nicht auf eine Fortsetzung der Koalition einigen – es schaut ganz danach aus – kann sich Kickl aussuchen, wie es in den kommenden Wochen weitergeht. Denn in allen anderen Szenarien ist die FPÖ ab sofort der X-Faktor, der Entscheider. Für eine Koalition gegen die ÖVP gibt es nur mit den Blauen eine Mehrheit. Dasselbe gilt für einen möglichen Neuwahlantrag der ÖVP. Und Kickl ist – im Gegensatz zu Rot und Pink – nicht abgeneigt.
„Die Freiheitliche Partei kann sich jetzt natürlich freuen über ihre Rolle als Königsmacher“, sagt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle im KURIER. Beispiel Vierer-Koalition: Für eine Zusammenarbeit mit SPÖ, Grünen und Neos – eine Koalition gegen die ÖVP – skizziert Kickl bereits klare rote Linien. Die FPÖ möchte auf Augenhöhe mitregieren, sich mit ihrem ultrarechten Asyl- und impfskeptischen Corona-Kurs einbringen.
Ob die SPÖ die Vranitzky-Doktrin opfert und mit der FPÖ zusammengeht, nur um in einer schwerfälligen Vierer-Koalition die Kanzlerin zu stellen? Ob die Grünen sämtliche Grundsätze aufgeben, nur um weiterhin in einer Regierung zu bleiben – mit dem ewigen Feindbild FPÖ? In beiden Fällen gilt: eher unwahrscheinlich.
„Der klügste politische Schritt für die FPÖ wären natürlich Neuwahlen, weil sie darauf hoffen kann, dass einige Stimmen von der ÖVP zurückwandern“, sagt Stainer-Hämmerle. Was zusätzlich dafür spreche: „Je unzufriedener die Bevölkerung mit der Politik und ihren Protagonisten ist, desto eher spielt das Rechtspopulisten in die Hände.“