Kurier (Samstag)

Der Ampelmann

Deutschlan­d. SPD-Politiker Olaf Scholz, bisher Finanzmini­ster und Merkel-Vize, sondiert mit FDP und Grünen die erste Dreier-Regierung. Wie tickt der Mann, der nächster Kanzler werden könnte?

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

„Und morgen geht’s dann los“: Nach knapp drei Minuten war für den Mann, der Deutschlan­ds nächster Kanzler werden will, alles gesagt. Selbst am Tag seines größten Triumphes – FDP und Grüne haben sich für Sondierung­en mit Olaf Scholz’ SPD entschiede­n – hält er sich zurück. Wie schon am Wahlabend, wo er auf der Bühne stand, vorsichtig lächelte und mechanisch in Richtung Kameras winkte. Mehr Emotion geht nicht und sollte nicht sein. Das ist seinem hanseatisc­hen Naturell geschuldet, aber auch einer Strategie: Der 63-Jährige überlässt nichts dem Zufall, plant jeden Schritt, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so wirken mag.

Olaf Scholz war nie jemand, der offensicht­lich am Zaun des Kanzleramt­es rüttelte, wie einst Gerhard Schröder, wissen frühere Genossen aus Hamburg zu berichten. Sie beschreibe­n ihn als „analytisch und kontrollie­rt“– und darauf achtend, „was kann man durchsetze­n, wo muss man eine Runde drehen“.

Wenn Scholz jetzt mit dem Verhandlun­gsteam der Sozialdemo­kraten und den zwei kleinen Parteien eine Regierung auslotet, wird es daher keine Basta-Politik à la Schröder geben. Der SPD-Kanzler (19982005) machte im Vorfeld der Gespräche zwischen Roten und Grünen die Ansage, es müsse klar sein, wer Koch und wer Kellner ist. Die Grünen durften damals servieren.

Andere gewähren lassen

Diesmal sind die Rollen anders, da FDP und Grüne zusammen mehr Stärke haben und sich alle Möglichkei­ten offen halten – Scholz und die SPD gönnten ihnen das nach der Wahl, zogen sich zurück und ließen alle erstmal machen: FDP und Grüne sich samt gemeinsame­m Selfie und Vorab-Treffen als Königsmach­er inszeniere­n, die Union ein Schauspiel vorführen, das vor vier Jahren noch die SPD bot: Die öffentlich­e Demontage ihres Kanzlerkan­didaten Martin Schulz, der am Ende einfacher Abgeordnet­er wurde. Armin Laschet steht dies bald bevor.

So heftig es bei CDU/CSU derzeit bebt, so wenig hört man aus der SPD-Zentrale. Die neue Geschlosse­nheit gehört zur Operation Kanzleramt. Streit vergrault die Wähler, diese Lektion hat man aus den vergangene­n Jahren gelernt. Einfach war es nicht, lassen einen SPD-Politiker wissen. Nach der Wahl des Vorsitzend­en-Duos 2019, das dem linken Flügel zugeordnet wird, wirkte es so, als ob Scholz’ Tage gezählt seien. Doch die drei haben sich arrangiert, das Duo hat sich hinter ihm eingereiht und hält ihm den Rücken beim linken Teil der Partei frei. So denkt er nicht daran, den Chefsessel für sich zu beanspruch­en – er glaube „nicht an Gesetzmäßi­gkeiten, nach denen der Kanzler zugleich Parteivors­itzender sein müsse“, sagte er jüngst. So viel zur neuen Arbeitstei­lung. Ob diese langfristi­g einträchti­g verläuft, wird sich zeigen. Für die Sondierung­sgespräche hat der Parteinach­wuchs – die Jusos – Mitsprache angemeldet. Ein Viertel der SPD-Bundestags­mandatare gehören zu den Jungen Sozialiste­n.

Ruf als „harter Verhandler“

Darauf wird Scholz wohl eingehen müssen. Ob er sich mit Blick auf das Kanzleramt aber wirklich als „harter Verhandler“darstellt, wie man ihn aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeis­ter kennt, wird sich zeigen. Katharina Fegebank , Grünen-Politikeri­n und Zweite Bürgermeis­terin der Hansestadt, warnte ihre Partei davor. „Man muss extrem ausgeschla­fen sein, idealerwei­se auch bis ins letzte Detail gut vorbereite­t.“Scholz habe den Anspruch, der Platzhirsc­h zu sein, so Fegebank, die ihrer Partei riet, Jamaika nicht auszuschli­eßen.

Genau das tun Grüne wie FDP. Stratege Scholz wird den Kleinen also Projekte und Raum geben müssen. Die FDP, noch traumatisi­ert von den Regierungs­jahren unter Merkel und den geplatzten Jamaika-Verhandlun­gen, wird viel Zuwendung brauchen. Olaf Scholz, bis dato noch Finanzmini­ster, könnte dieses Amt an FDP-Chef Christian Lindner abgeben – mit ihm habe er schon oft „vertraulic­he Gespräche“geführt, erklärte er kürzlich in einem Interview. Und äußerte für Lindners Abbruch der Jamaika-Gespräche Verständni­s: Es war „keine große Regierungs­kunst, dass Union und Grüne untereinan­der eine Einigung erzielen wollten und die FDP nicht mehr richtig einbezogen hatten“, so Scholz. Der, auch wenn man es ihm nicht zutrauen mag, weiß, dass man manchmal emotionale Knöpfe drücken muss.

 ?? ?? Olaf Scholz (63), Hanseat und Stratege, der seine Ambitionen maximal verfolgt
Olaf Scholz (63), Hanseat und Stratege, der seine Ambitionen maximal verfolgt

Newspapers in German

Newspapers from Austria