Brustkrebs: LEBENSWERTE Momente geben wieder Mut
Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Direktor Michael Miskarik, Niederlassungsleiter der HDI Lebensversicherung AG in Österreich, spricht mit Dr. Marija Balic, Vizepräsidentin der ABCSG, über die Wichtigkeit von Präventionsmaßnahmen, klinischer Forschung und positiver Motivation
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Marija Balic, Klinische Abteilung für Onkologie der Medizinischen Universität Graz und Vizepräsidentin der Studiengruppe ABCSG, betreut seit vielen Jahren Krebspatientinnen und kennt ihre Sorgen und Probleme im Alltag. Im Gespräch mit Direktor Michael Miskarik, Niederlassungsleiter der HDI Lebensversicherung AG in Österreich, gibt sie Einblick in das Leben der Patientinnen.
Michael Miskarik: Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Könnte das durch verstärkte Präventionsmaßnahmen verhindert werden?
Marija Balic: Prävention leistet einen wichtigen Beitrag zur Brustgesundheit. Es gibt Hinweise, dass körperliche Aktivität und eine gesunde Lebensweise das Risiko einer Neuerkrankung, aber auch eines Wiederauftretens reduzieren und die behandlungsassoziierten Nebenwirkungen günstig beeinflussen.
Häufig leiden Brustkrebspatientinnen unter psychischen und physischen Nebenwirkungen der Behandlung. Wie wirkt sich dies auf den beruflichen Alltag aus?
Viele Patientinnen berichten nach abgeschlossener Chemotherapie oder auch unter der antihormonellen Therapie von Konzentrations-, Schlaf- und Denkstörungen. Natürlich wirkt sich dies auch auf die Leistungsfähigkeit aus. Gerade in der heutigen Gesellschaft ist der Leistungsdruck hoch, was eine Wiedereingliederung in den beruflichen Alltag nicht gerade erleichtert. Immer wieder ist man im klinischen Alltag damit konfrontiert, dass sich Frauen allein gelassen fühlen, oftmals einen Berufswechsel in Betracht ziehen oder sogar auf Berufsunfähigkeit zurückgreifen müssen.
Die ABCSG hat mit ihrer jüngsten Brustkrebs-Studie weltweit neue Behandlungsstandards gesetzt. Was ändert sich nun in der Therapie? Die ABCSG 16 Studie wurde im Sommer im New
England Journal of Medicine, dem weltweit angesehensten wissenschaftlichen Journal, publiziert. Sie wirkt sich auf die Behandlung eines Großteils unserer Patientinnen aus. Eingeschlossen wurden postmenopausale Frauen, die mit sogenannten Aromatasehemmern behandelt werden. Die Studie hat klar gezeigt, dass die optimale Behandlungsdauer maximal sieben Jahre ist. Behandlungen über diesen Zeitraum hinaus ergeben keinen krankheitsspezifischen Vorteil, aber dafür Nachteile im allgemeinen Wohlbefinden und insbesondere hinsichtlich der Knochengesundheit. Individuelle Anpassungen können und müssen natürlich in besonderen Situationen oder bei Hochrisikopatientinnen angewendet werden.
Welche Bedeutung haben klinische Studien generell für die Weiterentwicklung von Behandlungsmethoden? Klinische Studien sind die Basis für jeden Behandlungsfortschritt. Jede neue
Behandlungsart muss sich im Vergleich zur bisher eingesetzten als besser erweisen, damit neue Standards gesetzt werden können. Klinische Studien beschäftigen sich sowohl mit Operationsarten und Nachbehandlungen als auch mit dem Einsatz sämtlicher Medikamente. In fortgeschrittenen Stadien bieten klinische Studien oftmals die Möglichkeit, neue innovative Therapieformen frühzeitig zu erhalten und das unter streng kontrollierten Bedingungen, die vor allem zur Sicherheit der Patientinnen beitragen. Jede Therapie, die in der Klinik zum Einsatz kommt, wurde durch eine klinische Studie definiert.
Warum sind LEBENSWERTE Momente, die glücklich machen, gerade in gesundheitlich herausfordernden Phasen so wichtig? Welchen Einfluss haben sie auf den Genesungsprozess?
Die Antwort darauf ist sehr individuell. Für jeden von uns gibt es unterschiedliche Momente, die als LEBENSWERT bezeichnet werden. Aber genau diese Momente halten uns am Leben, geben uns Motivation und helfen uns dabei, schwierige und herausfordernde Situationen und Tage durchzustehen. Wir alle brauchen einen Ausgleich, sei es mit der Familie, in der Beziehung oder beim kulturellen oder sportlichen Zeitvertreib. Mit einer Erkrankung wird positiven Momenten mehr Bedeutung zugemessen, man erlebt sie bewusster und gibt ihnen mehr Raum. Naturgemäß gewinnen aber leider auch schwierige und kräftezehrende Situationen an Stellenwert im Leben der Betroffenen. Somit sind während einer chronischen Erkrankung bzw. im Zeitraum der Genesung positive Impulse wichtig – dieses Potenzial kann bewusst genutzt und gestärkt werden.
Der Therapieerfolg hängt auch vom körpereigenen Immunsystem ab. Wie kann man dieses stärken?
Neben den bereits angesprochenen Maßnahmen, die Teil der Prävention sind und welche Patientinnen im Zuge einer Behandlung mit Chemotherapie, Antikörpertherapie aber auch antihormonellen Therapie nahegelegt werden, kommen zudem bei der Chemotherapie oft unterstützende Faktoren zum Einsatz, um schweren Infektionen vorzubeugen. Der aktiven Behandlungsphase,
besonders der Chemotherapiephase, ist größte Vorsicht beizumessen, da das Immunsystem mitreagiert. Auch bei neuen oralen Medikamenten, die man bei Patientinnen mit Metastasen einsetzt, werden Immunzellen unterdrückt – jedoch äußert sich dies großteils kaum durch schwere Infektionen. Auch wenn unsere Patientinnen häufig sehr bewusst und achtsam leben, ist es wichtig gerade in Zeiten der Pandemie zu betonen, welch schützende Rolle die COVID-19-Impfung einnimmt. Um das Risiko einer schweren Infektion zu reduzieren ist es zudem ratsam, wenn sich das direkte Umfeld impfen lässt. Man kann gerade in Zeiten der medialen Unsicherheit nicht oft genug betonen, dass dieser Schutz für unsere Patientinnen wichtig ist.
Im nächsten KURIERSchwerpunktthema am 23. Oktober machen wir uns Gedanken zum Weltspartag.