„Ich dachte, die ganze Welt ist so wie Wien“
Der Designer über gute Ideen und die Leiden der Künstler
Täglich kreativ sein, neue Ideen haben: Das ist seit 40 Jahren Stefan Sagmeisters Job. Im Lauf seiner Karriere gestaltete der Designer CDCover für niemand geringeren als die Rolling Stones, schuf eine Installation aus 600.000 Münzen und Plakate mit echten Bananen. Bekannt wurde er auch mit dem Film „Happy“und der Schau „Beauty“, die 2018 im Wiener MAK startete und noch heuer in Bregenz enden soll.
Für das gestern zu Ende gegangene „Forward Festival“für kreative Köpfe kam der in New York lebende Sagmeister nach Wien und erklärte dort, wie man Ideen haben kann. Die Kurzfassung: Ideen sollten niemals kopiert werden. Auf Pinterest schauen sei tödlich. Wer sich bewege, sei kreativer. Geld dürfe auf keinen Fall der Motor sein. Und ein Arbeitstagebuch könne helfen, eigene Wege zu finden. Für ihn persönlich sei es außerdem wichtig gewesen, alle sieben Jahre eine Auszeit zu nehmen, so Sagmeister – der übrigens in der Früh die besten Ideen hat.
KURIER: Welche Ideen aus Österreich gefallen ihnen? Stefan Sagmeister: Historisch ist es die Wiener Werkstätte (1903 gegründete Produktionsgemeinschaft bildender Künstler, Anm.). Oskar Kokoschka etwa gestaltete Plakate, aber auch Bilder. Die Werkstätte war in jede Richtung aktiv: Josef Hoffmann machte Gläser, Stühle – und dann gab es da die Verschmelzung mit der Architektur. Als ich an der Angewandten studierte, dachte ich, die ganze Welt ist so – wie Wien.
Ist Österreich ein kreatives Land, Wien eine kreative Stadt?
Wenn man die Größe und Wichtigkeit des Landes betrachtet, bin ich weniger erfreut. Die Schweiz ist klein. Sie hat aber zwei der wichtigsten Architekturbüros: Peter ZumThor und Herzog & de Meuron. In Österreich gibt es nur CoopHimmelblau. Island ist ca. so groß wie Innsbruck. Dennoch gibt drei bis vier Musik-Weltstars dort – von Björk bis zu Sigur Rós.
Welcher Ort in Europa ist besonders kreativ?
Bis vor dem Brexit war London Europas Kreativwerkstätte. Viele haben London wegen des Brexit verlassen.
Sagmeister & Walsh
Der in Bregenz geborene Designer studierte an der angewandten Universität in Wien. In New York führt er eine Design-Agentur mit der Designerin Jessica Walsh unter dem Namen „Sagmeister & Walsh“ Der Einfluss ist aber noch da: Musik, TV, Architektur, auch in meinem Bereich Design. Selbst Jonathan Ive von Apple, vielleicht der wichtigste Designer der vergangenen Jahre, ist Engländer. Dann gibt es noch Barcelona oder Amsterdam.
Gedeiht Kunst besser, wenn man günstig lebt?
Günstige Mieten sind ein fruchtbarer Boden für Kunst. Wir sehen das in den Staaten. In den 80ern, als ich hinzog, war New York das Zentrum der Kunstschaffenden. Jetzt ist es Los Angeles: Für ein 20-Quadratmeter-Studio in New York bekommt man ein Haus plus Studio in L.A.
Müssen Künstler leiden, um erfolgreich zu sein?
Das romantische Bild des armen Künstlers, der leiden muss, um gute Arbeit zu leisten, stimmt nicht. Auch Van Gogh (Prototyp des leidenden Künstlers, Anm.) soll sein Ohr nicht im Wahn, sondern im Streit verloren haben.