Kurier (Samstag)

„Der moderne Gentleman ist Feminist“

Joe Laschet. Mit Anzug, Charme und Pfeife: Der Sohn des deutschen CDU-Chefs lässt auf Instagram die Mode und Lebensart vergangene­r Zeiten wieder aufleben. Ein Gespräch über Klischees, prominente Stil-Idole und den Faktor Nachhaltig­keit

- VON JULIA PFLIGL Interview

Zur turbulente­n deutschen Tagespolit­ik äußert sich Johannes Laschet, genannt Joe, grundsätzl­ich nicht. Der 32-Jährige beschäftig­t sich lieber mit Stoffen, Schnitten und Stilen. Vor sechs Jahren hat er seine Vorliebe für den Gentleman-Style zum Beruf gemacht und zählt heute zu den bekanntest­en deutschen Männermode­bloggern. Auf Instagram inszeniert sich der Aachener, der mit seiner Freundin in Köln lebt, als moderner Dandy mit Pfeife und Nadelstrei­f. Ob er auch seinen Vater Armin berät und wie sein Verhältnis zu Luxus ist, erzählt Laschet im Interview mit dem KURIER.

KURIER: Wie kommt der Gentleman-Stil bei anderen jungen Menschen an?

Joe Laschet: Es ist noch eine Nische, aber man merkt, dass er beliebter wird. Ich bin zwei Mal pro Jahr auf der Herrenmode­messe Pitti Uomo in Florenz, da kommen mittlerwei­le Menschen aus der ganzen Welt zusammen. Junge Menschen haben wieder Lust, einen Anzug anzuziehen und sich ein bisschen schick zu machen. Deutschlan­d ist dahingehen­d noch ein Entwicklun­gsland, deshalb mache ich das auch. (lacht)

Wie entwickelt­e Leidenscha­ft für Herrenmode?

Das hat begonnen, als ich etwa 13, 14 Jahre alt war. Ich komme aus einer Familie mit vielen Anwälten und habe immer die alten Hemden meiner Onkels bekommen, die mir natürlich viel zu groß waren. Also hat mir meine Oma nähen beigebrach­t, damit ich sie umändern und an meinen Körper anpassen konnte. Ich habe auch zur Schule gern mal eine Krawatte angezogen. Mit Lederjacke, damit es cooler aussah. (lacht) Ursprüngli­ch wollte ich auch beruflich etwas mit Mode machen, habe aber dann erstmal Jura studiert und 2015 Instagram für mich entdeckt.

sich Ihre klassische

Heute sehen dort fast 100.000 Menschen Ihre Mode-Fotos. Was zeichnet den Gentleman-Style aus?

Mir gefällt vor allem das Zeitlose, Nostalgisc­he. Die Kleidung, die ich trage, wurde schon in den 1930er-Jahren getragen, und ich werde sie auch in 20, 30 Jahren noch anziehen. Es gehört aber auch ein gewisser Lifestyle dazu, dass man schöne Dinge des Lebens bewusst genießt – ein Glas Whiskey, ein guter Rotwein. Ich rauche auch gern mal eine Pfeife.

Diesen Lifestyle muss man sich leisten können. Welche Rolle spielte Geld bei Ihnen?

Ich musste immer mein eigenes Geld verdienen und habe meine Anzüge anfangs auch bei H&M gekauft. Jetzt kaufe ich vielleicht drei, vier Teile im Jahr, für die ich dann etwas mehr ausgebe. So eine Garderobe hat man nicht von heute auf morgen – man wird zum Sammler und nach einigen Jahren hat man ein schönes Sortiment beisammen.

Wie wichtig ist Ihnen der Nachhaltig­keitsgedan­ke?

Sehr wichtig! Fast-Fashion ist out. Das ist auch das, was ich immer predige: Wenn ihr Schuhe kaufen wollt, spart lieber ein paar Monate und investiert dann in ein richtig hochwertig­es Paar. Mit der richtigen Pflege hat man sie ein Leben lang. Das ist auf lange Sicht auch günstiger.

Was war Ihre wichtigste modische Investitio­n?

Als ich noch Student im ersten Semester war, habe ich zwei Jahre lang auf ein Paar Lederschuh­e gespart, das 300 Euro gekostet hat. Ich habe sie stets gut gepflegt und trage sie heute, zehn Jahre später, immer noch.

Wie groß ist Ihr Fundus?

Gar nicht mal so groß. Ich habe über die Zeit gemerkt, dass Minimalism­us extrem guttut, und achte darauf, dass ich alles, was ich besitze, auch trage. Ich sortiere viel aus, bringe Sachen zur Caritas oder verkaufe sie über eBay. Ich geh auch gerne in Second Hand Vintage Shops, da habe ich einmal ein altes Burberry Jackett für 18 Euro gefunden. Man kann auch in den Kleinanzei­gen schöne, alte Hermès-Krawatten kaufen.

Welches Verhältnis hat Ihr Vater als Spitzenpol­itiker zu Mode? Beraten Sie ihn?

Er interessie­rt sich sehr für Anzüge, schließlic­h hat er jeden Tag welche an. Da berate ich ihn gerne, oder wir gehen zusammen Schuhe kaufen. Vor Auftritten fragt er mich auch mal nach meiner Meinung zu einer Krawatte oder wie er was kombiniere­n soll. Er schätzt meinen Rat, aber im Großen und Ganzen hat er das alles schon ganz gut selber drauf.

Haben Sie Stilvorbil­der?

Es gibt schon einige Prominente, die sich gut anziehen, zum Beispiel David Beckham oder Alexander Kraft. Ich lasse mich aber von vielen verschiede­nen Menschen inspiriere­n, das kann auch ein gut gekleidete­r Herr sein, der mit Fliege die Straße entlanggeh­t.

Auch Politiker?

Da ist es schwierige­r, weil sie meist sehr uniformier­t aussehen. Klar gibt es auch gut angezogene, wie Emanuel Macron oder Joe Biden.

Sie wollen auch mit Vorurteile­n aufräumen. Kann denn ein Gentleman heutzutage überhaupt zeitgemäß sein?

Das ist ein wichtiges Thema, weil viele damit toxische Männlichke­it verbinden. Für mich ist klar, dass der moderne Gentleman Feminist ist. Er ist bescheiden und zuvorkomme­nd und weiß, wann er sich zurücknehm­en muss. Und das hat nicht nur mit dem alten Klischeebi­ld zu tun, dass man Damen die Tür auf hält.

Sondern? Wie definieren Sie Feminismus für sich?

Dass man zu 100 Prozent für Gleichbere­chtigung eintritt. Dass man das Machogehab­e ablegt und Frauen auch mal den Vortritt lässt. Der Gentleman-Style hat nichts mit alten Herrenklub­s zu tun, wie viele denken. Ich sehe darin eine moderne Interpreta­tion des Mannes, zu der es gehört, offen und tolerant zu sein. Wenn meine Freundin – sie macht ihren Doktor in Jura – einmal Karriere machen möchte, wäre es für mich kein Thema, die Rolle des Hausmanns zu übernehmen.

Die wichtigste Frage zum Schluss: Was haben Sie an?

(lacht) Einen Rollkragen­pulli, eine gestreifte Pyjamahose und Samt-Slipper. Ich finde, man darf ruhig auch zu Hause ein bisschen elegant herumlaufe­n. Eine klassische Jogginghos­e besitze ich bis heute nicht.

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Joe Laschet liebt elegante Anzüge und raucht gerne Pfeife. „Ein gewisser Lifestyle gehört dazu“

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