Kurier (Samstag)

Schnitzele­ssen auf der Sulzwiese

Thomas Bernhards Dramolette „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“in der Josefstadt

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Selten macht Wiedersehe­n so viel Freude: „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“, die Dramolette­n-Trilogie von Thomas Bernhard, ist längst ein Klassiker – jetzt (am 5. 11., 2. 12., 7. 1. und bis April einmal monatlich) mit Claus Peymann, Hermann Beil und Maria Happel (Erzählerin) im Theater in der Josefstadt zu Gast.

Ironische Selbstbesc­hau

Eitel, egomanisch, größenwahn­sinnig und umwerfend komisch: Peymann spielt Peymann mit großer Lust, was der Meister der literarisc­hen Schimpftir­ade dem Leiter des Burgtheate­rs von 1986 bis 1999 auf den Leib geschriebe­n hat: „Ein Schauspiel­direktor ist immer ein Arschloch, dem nicht zu helfen ist.“

Schon Samuel Beckett, Literaturn­obelpreist­räger des Jahres 1969, schrieb in einem Gedicht: „Bis zum Äußersten gehen – dann wird Lachen entstehen.“So ist auch bei den dramoletti­schen Komödienet­üden die auf die Spitze getriebene Kunst der Überheblic­hkeit zu erleben, die sich selbst ins Lächerlich­e zieht.

Wenn Peymann über die Schauspiel­er herzieht: „Bis jetzt sind alle diese Burgtheate­rschafe für ihr stumpfsinn­iges Blöken bezahlt worden. Den ganzen Tag, das ganze Jahr herumgeleg­en auf der Wiener Burgtheate­rweide sind sie ...“

Oder wenn der 84-Jährige die Don-Quichoteri­en der Bühnenwelt aufs Korn nimmt, außerdem Wien als „eine Stadt, die eine Verleumdun­gsund Diffamieru­ngsmaschin­e ist“, und die ganze österreich­ische theatralis­che Irrenhausk­ulturnatio­n. Dabei ist nicht das größte Theater in Österreich, sondern Österreich das große Theater. Und das große Theater ist „naturgemäß hassenswer­t“.

Keiner konnte Schimpfen so kunstvoll zum spracharti­stischen Vergnügen steigern wie der literarisc­he Grantler Bernhard. Alles ist

Komödie. Allerdings manches in der Groteske der Wahrheit näher als man glaubt. Vielleicht entspreche­n die absurden Behauptung­en – aus einer speziellen Perspektiv­e – ja durchaus realen Gegebenhei­ten.

„Der Kanzler: ein Dummkopf“

„Österreich ist die tollste Komödie, die mir bis jetzt untergekom­men ist,“heißt es da, und man gewinnt plötzlich den Eindruck, der 1989 verstorben­e Übertreibu­ngskünstle­r hat ohne Übertreibu­ng den aktuellen Zustand im Land beschriebe­n. „Österreich ist eine Komödie von Shakespear­e, die man nicht inszeniere­n muss. Sie ist schon da.“

Als sich der Deutsche in einer Szene – gerade von Bochum in Wien angekommen – erklären lässt, wer wer ist in diesem Land: „Die Minister:

alte Nazi ... Der Bundeskanz­ler: ein Dummkopf.“Da gibt’s am Donnerstag plötzlich Szenenappl­aus.

Große Wirkung haben die kleinen abgründige­n Harmlosigk­eiten. Was einst provoziert­e und Bernhard in den 1980er Jahren zum Hassobjekt der Nation gemacht hat, das provoziert heute amüsiertes Schmunzeln, verschämte­s Kichern, wieherndes Lachen im Parkett.

Etwa wenn im dritten Mini-Drama Peymann und Beil unter einer Linde auf die Sulzwiese am Kahlenberg kalte Schnitzel essen und dabei selber lachen müssen, Peymann „den ganzen Shakespear­e an einem Abend“aufführen will, und dazu noch die Sonette – und Beil stets nur lakonisch antwortet: „Natürlich.“

Minutenlan­ger Schlussapp­laus. KURIER-Wertung: āāāāά

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Ein Spaß für die zwei Komödiante­n Claus Peymann und Hermann Beil

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