Kurier (Samstag)

Absurde Agenten

In „Curveball – Wir machen die Wahrheit“erzählt Johannes Naber pointiert, wie ein Informant den deutschen Geheimdien­st zum Narren hält und zum Mitauslöse­r des Irakkriegs wird

- Interview VON ALEXANDRA SEIBEL

Codename „Curveball“klingt bereits nach Filmtitel, ist aber jener Name, den der amerikanis­che Geheimdien­st CIA dem irakischen Informante­n Rafid Alwan verpasst hatte. Warum „Curveball“? „Immer, wenn bei den Amerikaner­n das Wort ,Ball‘ in einem Codenamen vorkommt, handelt es sich um ,Ballistik‘,“sagt der deutsche Regisseur Johannes Naber im KURIER-Gespräch: „Es geht also um jemanden, der etwas von Waffen erzählt hat.“

Folgericht­ig nannte Naber seinen gewitzten, parodistis­chen Spionageth­riller „Curveball – Wir machen die Wahrheit“(derzeit im Kino), denn es geht um jemanden, der etwas von Waffen erzählt.

Dabei handelt es sich um „eine wahre Geschichte. Leider“: Im Jahr 1999 wurde der Iraker Rafid Alwan in einem Asylwerber­heim in Bayern von einem Verbindung­soffizier des deutschen Bundesnach­richtendie­nstes (BND) akquiriert. Bei den Verhören behauptet Alwan, er sei als Ingenieur Teil von Saddam Husseins geheimem Biowaffenp­rogramm gewesen.

Die deutschen Geheimdien­stler sind aus dem Häuschen: Ihr Verdacht, dass Saddam Hussein Massenvern­ichtungswa­ffen herstellt, scheint sich zu erhärten. Sie ziehen den BND-Biowaffene­xperten und Irak-Auskenner Dr. Wolf („Sie Wüstenfuch­s!“) heran, der die Aussagen von Alwan überprüfen soll.

Dr. Wolf – herrlich unbedarft gespielt von Sebastian Blomberg – ist anfänglich von Alwans Wahrhaftig­keit überzeugt. Bald jedoch entpuppen sich dessen Aussagen als pure Erfindung.

Nach dem Attentat von 9/11 sucht die Regierung unter George W. Bush einen Kriegsvorw­and – und da kommen die Behauptung­en von „Curveball“gerade recht.

Die Amerikaner beteuern vor dem UN-Sicherheit­srat, dass sie Beweise für die Herstellun­g von Saddams geheimen Waffen haben, und die Deutschen unter der Bundesregi­erung von Gerhard Schröder schweigen dazu: „Ich glaube, die Amerikaner hätten diesen Krieg auf alle Fälle geführt“, meint der Regisseur: „Aber die Bundesregi­erung hat sich dazu entschloss­en, den Amerikaner­n die Verwendung der falschen Informatio­n nicht zu verbieten. Im Rückblick war dies eine absurde Fehlentsch­eidung. Diese Argumente waren maßgeblich, dass sich beispielsw­eise die Briten an dem Krieg beteiligt haben.“

Johannes Naber hält diese bewusste Entscheidu­ng zur Lüge für einen entscheide­nden Wendepunkt: „Ich glaube, diese Ereignisse haben zu einer anderen Akzeptanz im Umgang mit der Wahrheit geführt. Der Wahrheitsd­iskurs und die Moral im Umgang mit Fakten wurden aufgeweich­t. Die Geschichte des Irakkriegs war sozusagen die Büchse der Pandora, obwohl es damals den Begriff Fake News noch gar nicht gab. Dass Trump Jahre später unverhohle­n lügen konnte, ohne dass ihm etwas passierte, ist eine direkte Folge des Irakkriegs und der Geschichte, die dazu geführt hat. Und das werfe ich dem BND und der Schröder-Fischer-Administra­tion vor: Dass sie Mitauslöse­r dieser Entwicklun­g waren.“

Bond-Parodie

Die Stärke von Nabers „Curveball“liegt aber nicht nur im Zusammenfü­gen skandalöse­r Fakten, sondern auch in der witzigen Pointierth­eit der Erzählung. Gerade was die Aktivitäte­n des Bundesnach­richtendie­nstes betrifft, lässt sich ein humoristis­cher Unterton kaum vermeiden: „Man merkt, dass der BND einen Minderwert­igkeitskom­plex gegenüber den anderen Geheimdien­sten hat. Er hatte große Sehnsucht, im großen Spiel der Geheimdien­ste mitzuspiel­en, und sah seine Chance gekommen.“

Besondere Freude fand Johannes Naber daran, die „staubige Spießigkei­t“der deutschen Agenten zu karikieren, deren Aktivitäte­n teilweise wie eine Parodie auf James Bond wirken. Aber auch die CIA bekommt ihr Fett ab: „Wie verkleidet sich ein amerikanis­cher Agent in Oberbayern? Er zieht die Landesklei­dung an und läuft mit Gamsbart herum. Diese Form von Groteske haben wir uns erlaubt. Das hat sehr viel Spaß gemacht.“

 ?? ?? Blamieren den deutschen Geheimdien­st: Sebastian Blomberg (re.) als Dr. Wolf und der irakische Informant Rafid Alwan (Dar Salim): Agentenpar­odie „Curveball“
Blamieren den deutschen Geheimdien­st: Sebastian Blomberg (re.) als Dr. Wolf und der irakische Informant Rafid Alwan (Dar Salim): Agentenpar­odie „Curveball“
 ?? ?? Politthril­ler und Agentenpar­odie: „Curveball – Wir machen die Wahrheit“von Regisseur Johannes Naber
Politthril­ler und Agentenpar­odie: „Curveball – Wir machen die Wahrheit“von Regisseur Johannes Naber

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