ÜBER leben
Ein geschätzter Kollege hat kürzlich in einem Leitartikel geschrieben: Liberal-konservative
Bürgerliche definieren sich durch Leistungsbereitschaft, Wettbewerbsdenken und das Hochhalten von Familie, Heimat und Tradition. Wenn das stimmt, dann bin ich der klassisch liberal-konservative Bürgerliche. Ich mag Leistung, ich versuche, alles was ich tue, möglichst gut zu tun: Schreiben, Denken, Nichtstun. Eine Stunde lang einen Baum zu betrachten (umarmen muss nicht sein), das finde ich eine schöne Leistung. Einen Gedanken zu entwickeln, zu formen, zu kneten, solange, bis man mit seiner Gestalt halbwegs zufrieden ist, das ist eine gute Leistung. „Something“auf der Ukulele zu lernen, das ist sogar eine außergewöhnliche Leistung. Fünf Kilometer wieder unter 30 Minuten zu laufen, das ist eine Leistung, von der ich derzeit nur träumen kann. Beziehungen zu anderen Menschen so zu gestalten, dass beide Seiten zufrieden sind, dazu braucht es viel Leistungsbereitschaft.
Wettbewerb, ja, das finde ich gut. Wie können wir einander in den Disziplinen Freundlichsein, helfend Handeln und Herzenteisung immer und immer wieder übertreffen? Wann gibt es Weltmeisterschaften in der wichtigsten Sportart von allen – im Menschsein? Außerdem fände ich Goldmedaillen für gute Ideen fein, Ideen, die uns weiterbringen. Und wie wäre es mit Olympischen Spielen im Friedenschließen? Familie, die Idee mag ich auch. Familie, das sind für mich meine Kinder, meine Eltern, meine Freundin, meine Ex-Frau – und alle Menschen, die mir friedlich entgegenkommen, egal, ob sie mit mir blutsverwandt sind oder nicht. Heimat: Das ist für mich der Planet Erde, vor allem aber die Musik der Rolling Stones, die Bücher von Thomas Bernhard und jede Szene von Shakespeare. Tradition: In meiner Familie ist das die Erkenntnis, dass man sich selber nicht so wichtig nehmen sollte. Und am Ende bleibt immer noch: das Lachen.