Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

- Vea Kaiser vea.kaiser@kurier.at

Eine meiner Aufgaben bei unserer Haussanier­ung war das Entgegenne­hmen von Baustoffli­eferungen. Wenn man in Zeiten der größten globalen Baustoffkr­ise baut, ist man bereit, für Materialie­n fast alles zu tun. Das weiß die andere Seite. Bei jeder Bestellung vermerkte ich mehrfach, dass man mich bitte eine Dreivierte­lstunde vor Eintreffen der Spedition informiere, da nicht ständig jemand vor Ort sei. Ich deponierte das telefonisc­h, in jedem Mail, ich bettelte, flehte – und das stets umsonst. Nicht nur ein Tag begann heuer damit, dass mein Telefon läutete, während ich unter der Dusche stand. „Baustoffli­eferung für Kaiser, bin in zehn Minuten da.“Sprung aus der Dusche, rein ins nächstbest­e Gewand, ab ins Auto. Acht Minuten später abermalige Anruf: „Bin da, wo sind Sie?“– „Sie sollten doch eine halbe Stunde vorher anrufen!“– „Hat mir niemand gesagt. Beeilung!“

Bis heute wundere ich mich, dass das Kind noch immer in meinem Bauch ist und bei dem ganzen Herumhetze­n nicht früher zu kommen beschloss. Zur Beruhigung dachte ich mir: Die Fahrer können nichts dafür. Die stehen selbst unter großem Druck. Wie ein Mantra redete ich mir das ein, als mich ein besonders gestresste­r Lieferant mit einer 300 Kilogramm schweren, sehr teuren Pumpe auf dem Gehsteig stehen ließ, weil er keine Zeit mehr hatte, sie die fünf Meter in die Garage zu bringen. Und als ein Fahrer, der zum dritten Mal binnen einer Woche da war, zum dritten Mal zehn Minuten zuvor angerufen hatte und zum dritten Mal zehn Euro Trinkgeld fürs Warten wollte. Und vor allem, als ich an jenem kalten regnerisch­en Tag, an dem drei Lieferunge­n kommen sollten, schon um 5:30 Uhr auf der Baustelle war, nicht ahnend, dass es der einzige Tag sein sollte, an dem keiner vor Mittag kam und alle eine Stunde vorher anriefen.

Wie mir ein Spediteur sagte: Selbst schuld, wenn man mitten in der Baustoffkr­ise baut.

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