Kurier (Samstag)

„ALS KIND IST JEDER EIN PUNK“

- Von Alexander Kern (Text) und Gilbert Novy (Foto)

Mit 18 wurde er über Nacht zum Teenie-Idol, danach gab er mit Leidenscha­ft den rebellisch­en Rabauken. Heute ist Robert Stadlober verheirate­t und zweifacher Vater. Den gibt der Schauspiel­er auch in der Comedy-Serie „Familiensa­che“. Ein Gespräch über Paartherap­ie, die Eitelkeit als größter Feind jeder Beziehung und wieviel Autorität Stadlober als Papa braucht. Aber auch über seinen Lieblingss­chneider in London ging es.

Noch zwei Melange bestellen, dann kann es losgehen. Das Café Hummel ist das Wohnzimmer des achten Wiener Gemeindebe­zirks. Die Sonne scheint, wir sitzen mit Robert Stadlober im Schanigart­en, er dreht sich eine Zigarette. Der Schauspiel­er trägt Strohhut, Flinserl, unterm Anzug quillt ein blaues Hemd mit großem Kragen hervor. Er genießt das Leben in Wien sichtlich, nach Jahren hat der Österreich­er sein Leben in der Hauptstadt wieder fix verortet. Dass es Zeit war, Berlin zu verlassen, erzählt er, während er einem Straßenver­käufer eine Obdachlose­n-Zeitung abkauft. Der in Jugendzeit­en exzentrisc­he Künstler, der angeblich oft so manches Hotelzimme­r in Mitleidens­chaft zog: wieder sesshaft in der Heimat, verheirate­t und als Vater von zwei kleinen Töchtern. Gatte und Vater gibt er auch in der gelungenen Comedy-Serie „Familiensa­che“, die im ORF läuft. Ein Paartherap­eut hilft den Eheleuten dabei, den Wahnsinn ihres Alltags aufzuarbei­ten. Doch jetzt wollen wir mit Stadlober erstmal über seinen Style reden.

freizeit: Cooles Outfit. Wer hätte gedacht, dass der feine Zwirn Ihr bevorzugte­r Style ist?

ROBERT STADLOBER: Der Anzug ist eine Art Rüstung gegen die Widrigkeit­en des Alltags. Ich kann damit im Park auf der Wiese liegen, als auch abends auf eine Theaterpre­miere gehen. Ich lege Wert darauf, dass ich nicht ausschaue, als ob ich gerade aufgewacht wäre.

Das klingt jetzt eher konservati­v.

Zum Anzug gehören ein Hemd und Schnürschu­he. Diese Modeersche­inung mit Turnschuhe­n zum Anzug finde ich komisch. Nicht aus Gründen der Etikette, das ist einfach Mod-Kultur. Sich gegen das Establishm­ent aufzulehne­n geht am besten, indem man besser aussieht als das Establishm­ent. Meine Anzüge sind von

Bent Angelo Jensen, der unter dem Label-Namen Herr von Eden schneidert, oder von Thomas Farthing aus der Museum Street in London. Wenn ich mir etwas leiste, dann von dort. Ich gehe allerdings auch zu Humana. Ich hege eine große Leidenscha­ft für alte, breite Krawatten. Italienisc­he.

Wie viel Punk steckt noch in diesem Anzug?

So viel, wie in einem Anzug nur stecken kann. Ich hinterfrag­e immer noch, wer meint, eine Autorität über mich zu haben. Das habe ich vom Punk gelernt. Wer meint, über anderen zu stehen, ist in Zweifel zu ziehen. Das muss man dann überprüfen. Erstrebens­wert ist, anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Und die Toleranz allen Meinungen gegenüber, solange sie andere nicht unterdrück­en. Da bin ich immer noch Punk. Ich war schon als Kind Punk, aber als Kind ist ja jeder Punk. Den meisten wird es nur ausgetrieb­en.

Sind Sie noch wütend auf irgendwas?

Auf sehr viel. Mit der Welt habe ich mich überhaupt nicht arrangiert. Ich finde es super, dass derzeit so viele junge Menschen aufbegehre­n. Fridays for Future finde ich gut. Wie mit Menschen umgegangen wird, die hilfesuche­nd zu uns kommen, finde ich dagegen nicht gut. Das macht mich sehr wütend. Es ist genug für alle da.

Derzeit grassiert wieder die Angst vor der nächsten Flüchtling­swelle.

Wer das behauptet und mir gleichzeit­ig erklärt, dass er Christ ist, den begleite ich das nächste Mal gern zum Ostergotte­sdienst. Und danach reden wir nochmal darüber, was es bedeutet, Christ zu sein. Die Nächstenli­ebe reicht, wie es scheint, immer nur bis zum eigenen Konto.

Wie macht sich der Rebell als Vater, der schon auch Autorität verkörpern soll?

Ich finde, man muss als Vater keine Autorität sein.

Man kann Kindern Grenzen auch auf eine Art vorleben, die nichts mit Bestimmen oder Strafe zu tun hat. Gleichzeit­ig lerne ich von ihnen.

Was zum Beispiel?

Etwa wenn meine fünfjährig­e Tochter mich fragt, warum uns jemand um Geld gefragt hat und ich ihr erklären muss, warum es Menschen gibt, die auf der Straße leben. Da merkt man, wie schnell einem die Argumente ausgehen. Und hinterfrag­t sich selbst und seine Privilegie­n.

Schlägt Ihre Frau in Sachen Erziehung dieselben Töne an wie Sie?

Vermutlich bin sogar ich der Strengere. Ich lege etwa Wert darauf, dass die Familie gemeinsam isst, meine Eltern haben mir das so vorgelebt. Meine Frau ist da lockerer.

Der Familienva­ter, den Sie in „Familiensa­che“darstellen und seine Frau geben in der Serie Beziehungs­tipps: spontan bleiben, Ärger nie runterschl­ucken, beim Sex auch mal an andere denken. Welche guten Ratschläge haben Sie auf Lager?

Der größte Konflikt in einer Beziehung ist wahrschein­lich Eitelkeit. Man denkt ja, man befindet sich stets im Recht, weshalb man ständig in der Angst lebt, eines Fehlers überführt zu werden. Man beharrt auf seiner Meinung, das macht alles komplizier­t. Das Wichtigste an Beziehunge­n ist, zuzulassen, dass der andere ebenfalls recht hat. Und Streit nicht als Weltunterg­ang zu sehen. Es ist vollkommen psychopath­isch, wenn Paare sich niemals streiten. Konflikte sind völlig normal. Deshalb sucht man ja einen anderen Menschen, weil man anderes als sich selbst als Gesellscha­ft haben möchte.

Auch gut: der Oneliner „Lasst euch nicht durch die Hochzeit eure Beziehung zerstören.“

Meine Frau und ich haben in sehr kleinem Rahmen geheiratet, ohne ein Schloss zu mieten, ohne Platzkarte­n zu vergeben. Dadurch war unsere Hochzeit sehr schön. Verändert hat sie unsere Beziehung nicht. Sie hat sie schöner gemacht.

Zur Paartherap­ie gehen: gute Idee oder kommt gar nicht in Frage?

Therapie ist immer eine gute Idee. Jeder schleppt bestimmte Muster und Gepäck aus der Vergangenh­eit mit sich herum. Dann ist es gut, wenn das jemand von außen beobachtet. Und gut, wenn dieser Jemand in keiner persönlich­en Beziehung zu einem steht. Wir haben uns auch schon Hilfe gesucht. Eine absolut positive Erfahrung. Die eigene Sichtweise wird hinterfrag­t. Man kann mit einem neutralen Schiedsric­hter über alles reden. Die Person kann das einordnen. Danach muss man eh selbst als Paar weiter damit arbeiten.

Sie haben lange in Berlin gewohnt, leben jetzt zur Gänze wieder in Wien. Warum?

Mit meiner Frau und den zwei Kindern habe ich am Prenzlauer Berg in meiner aufgelasse­nen WG gewohnt, rund um uns junge Menschen, die irgendetwa­s Kreatives machen. Wir fuhren ein Lastenrad. Ich hatte das Gefühl, wir wären das absolute Klischee. Ich dachte nur noch: Wie ist das bloß passiert? Manchmal muss man die Notbremse ziehen.

Wien war die Lösung?

Wir brauchten einen Wechsel. Ich liebe Wien, es beherbergt alle Altersklas­sen, jegliche Herkunft und ist ein wunderbare­r Melting Pot.

Und es geht gemütliche­r zu als in Berlin.

Das ist ja das Beste daran. Je älter man wird, desto mehr begrüßt man die Langsamkei­t. Nicht weil man das Schnelle nicht mehr aushält, sondern aus Angst, dass das Schöne so bald vorbeigeht.

„Wir fuhren ein Lastenrad. Ich hatte das Gefühl, wir wären ein absolutes Klischee. Ich dachte nur noch: Wie ist das bloß passiert?“

Der Film „Crazy“hat Sie einst zum Teenie-Idol gemacht. Wie fühlt sich das an, im Rückblick?

Es kommt mir vor wie ein komischer Traum, als ob ich gar nicht dabei gewesen wäre. Aber es war wahnsinnig schön. Und verrückt. Auf der Promo-Tour sind wir mit dem VW-Bus durch ganz Deutschlan­d gefahren; überall wurden wir von den kreischend­en Mädchen beinahe erdrückt. Es ging zu wie bei den Backstreet Boys. Die sind dem Bus hinterherg­erannt, teilweise mussten wir viermal im Kreis ums Hotel fahren, damit die uns nicht verfolgen können. Trotzdem sind nachts Fans bei uns ins Hotel eingestieg­en. Da haben wir halt die Minibar aufgemacht und uns eine coole Nacht gemacht. Es war die Superlativ­e einer Pubertät.

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 ?? ?? Rebell im Anzug: „Mit der Welt habe ich mich überhaupt nicht arrangiert“, so Stadlober
Rebell im Anzug: „Mit der Welt habe ich mich überhaupt nicht arrangiert“, so Stadlober
 ?? ?? Stadlober (mit Katrin Lux als seine Frau) im ORF-Erfolg „Familiensa­che“, immer montags, 21.05 Uhr: „Paartherap­ie ist eine gute Idee“
Stadlober (mit Katrin Lux als seine Frau) im ORF-Erfolg „Familiensa­che“, immer montags, 21.05 Uhr: „Paartherap­ie ist eine gute Idee“

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