Kurier (Samstag)

Alles ist möglich

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Wollen Sie Neuwahlen? „Nein“, sagten fast alle Leserinnen und Leser, die sich im Festzelt zum KURIER-Tag eingefunde­n hatten. Nun haben es also die Grünen in der Hand, wie es mit dieser Regierung weitergeht. Aus ÖVP-Kalkül ist das gar nicht die allerschle­chteste Variante. Denn ein Rücktritt von Sebastian

Kurz könnte als Schuldeing­eständnis gewertet werden. Und die Verantwort­ung für Sprengen der Regierung und eventuelle Neuwahlen hätten dann die Grünen.

Diese haben sich festgelegt, nicht mehr mit Kurz weiterregi­eren zu wollen. Am Dienstag könnte er zum zweiten Mal mittels Misstrauen­santrag gestürzt werden – und die ÖVP als Opposition­spartei übrig bleiben, vielleicht sogar als einzige. Grün, Rot und

Pink (die gemeinsam keine Mehrheit im Nationalra­t haben) liebäugeln mit einer Minderheit­sregierung unter einem roten Kanzler und wären sogar bereit, sich von der Impfskepti­ker-Kickl-FPÖ unterstütz­en zu lassen. Eine regelrecht­e Duldung schließt Herbert Kickl aus – wenn, dann will er mitregiere­n. Weil das unwahrsche­inlich ist, müsste sich dieses Kabinett wechselnde Mehrheiten suchen.

Als die FPÖ noch Koalitions­partner war, gab es allwöchent­liche Skandalsto­rys über die Blauen, jetzt wurde alle Kraft auf die Demobilisi­erung von Kurz gelegt. Dafür war das Handy von Thomas Schmid ein „Geschenk“– samt aller Zufallsfun­de. Präpotenz und Zynismus, die aus den Schmid-Chats herausflie­ßen, werfen ein schlechtes Licht vor allem auf Schmid, aber auch auf das engste Umfeld von Kurz, der damals noch nicht Kanzler war. Ob das für ihn strafrecht­lich relevant ist, wissen wir nicht.

Prinzipiel­l wäre es möglich, mit einem honorigen Schwarzen à la Wilfried Haslauer bis zur Klärung der Vorwürfe weiterzure­gieren. (Dazu gibt auch in der ÖVP Befürworte­r.) Bei einer Justiz, die für solche Verfahren unendlich lange braucht, geht das aber wohl über diese Legislatur­periode hinaus. Klar ist: So lange Kurz im Rampenlich­t steht, werden Vorwürfe und geleakte Chats nie mehr auf hören.

Endet die Koalition jetzt, wird die ÖVP dem Budget und damit auch grünen Herzenspro­jekten wie dem Klimaticke­t nicht mehr zustimmen, was die Grünen schmerzen wird. Ihre Hoffnung liegt jetzt wahrschein­lich auf einer linken Mehrheit (inklusive Neos) nach der Wahl. Sicher ist es nicht. Die FPÖ wird zulegen und die seltsame MFG mitmischen. Die ÖVP würde in einen MärtyrerWa­hlkampf mit Kurz gehen, könnte damit sogar wieder Erste werden, hat danach aber keinen potenziell­en Koalitions­partner. Die SPÖ würde mit einem „frischen“Spitzenkan­didaten in die Wahl ziehen, das könnte zum Beispiel der Wiener Finanzstad­trat Peter Hanke sein. Ein Beamtenkab­inett ist theoretisc­h möglich, führt aber auch in Neuwahlen.

Wir stehen wieder einmal vor rumpeligen Zeiten.

Am Dienstag wird Kurz wohl über einen Misstrauen­santrag stürzen. Schon wieder stehen dem Land unruhige Zeiten bevor

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria