Kurier (Samstag)

Rendi lockert das „Nein“zur FPÖ

Club 3. Der neue Wertekatal­og habe den Parteitags­beschluss von 2004 gegen eine Koalition mit den Freiheitli­chen ersetzt. Sie selbst stünde aber nicht für Rot-Blau bereit

- VON RICHARD GRASL

„Viel hat nicht gefehlt, und wir könnten Sie heute als Bundeskanz­lerin begrüßen“: So eröffnete Krone-Chefredakt­eur Klaus Herrmann die dieswöchig­e Club 3-Diskussion von SchauTV und krone.tv mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Diese versucht den verbalen Seiltanz, dass Gespräche mit FPÖ-Chef Herbert Kickl über eine Zusammenar­beit zwar wichtig aber nie wirklich konkret waren. „Hätte es diese Gespräche zwischen den vier Parteien außer der ÖVP nicht gegeben, denke ich, wäre Sebastian Kurz heute noch Bundeskanz­ler. Denn Neuwahlen wären in dieser schwierige­n Situation nicht der richtige Weg gewesen, und wir haben Möglichkei­ten ausgelotet, wie wir das Land wieder in die richtige Spur bringen können.“

Die Frage, wie Rendi-Wagner es mit der FPÖ hält, ist zentrales Thema im ersten Teil der TV-Sendung: „Eine Koalition stand nie zur Debatte, und es ging auch nie um Funktionen, Rollen oder Minister.“Doch dann lässt Rendi-Wagner mit einer überrasche­nden Aussage aufhorchen, denn die sogenannte Vranitzky-Doktrin, also ein aufrechter Parteitags­beschluss gegen eine Koalition mit der FPÖ, ist für sie nicht mehr erstrangig. „Wir haben ja inzwischen ein neues Werkzeug, wie wir Koalitions­partner bewerten, nämlich den Wertekatal­og.“Und weiter zum grundsätzl­ichen Nein zur FPÖ als Koalitions­partner: „Das gilt als solches nicht mehr, weil jetzt etwas anderes gilt. Der Wertekatal­og ist der jüngste Parteitags­beschluss. Aber wenn Sie mich ansprechen, ob ich für eine echte Koalition mit der FPÖ bereit stünde, dann ist meine Antwort Nein.“Das Dogma, nicht mit der FPÖ zu koalieren, gilt laut Rendi-Wagner für die SPÖ als Partei also nicht mehr.

Bald Neuwahlen

Rendi-Wagner glaubt an baldige Neuwahlen („Koalition mit Ablaufdatu­m“), auch wenn sie diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht für richtig hält. Bei diesen möchte sie als SPÖ-Spitzenkan­didatin ins Rennen gehen. Den neuen Kanzler Alexander Schallenbe­rg bewertet sie nach wenigen Tagen und trotz eines persönlich­en Vier-Augen-Gesprächs negativ: „Er hat in den ersten Stunden den größten Fehler gemacht, indem er die Erkenntnis­se der Staatsanwa­ltschaft

infrage gestellt hat und sich nicht von Türkis distanzier­t hat.“

Von der Bundesregi­erung erwartet sie nun „handfeste Arbeit für das Land“und kritisiert gleich zwei Versäumnis­se. In der Corona-Bekämpfung müsste viel mehr getan werden, um die Impfquote zu erhöhen. „Warum schaffen die skandinavi­schen Länder, Spanien, Israel oder die USA höhere Impfraten und wir nicht? Es braucht gezielte Kampagnen für die Menschen zwischen 19 und 38 Jahren, weil sie die aktivste Bevölkerun­gsgruppe sind und derzeit das höchste Risiko haben, an Corona zu erkranken“, so Rendi-Wagner. Sie spricht sich auch dafür aus, dass PCRTests die ungenauere­n Antigen-Tests ersetzen, außer in Situatione­n, wo man spontan einen Nachweis braucht.

Außerdem fordert sie wegen der steigenden Preise für Energie und Wohnen stärkere Entlastung­en, Mietpreiso­bergrenzen und Heizkosten­zuschüsse von 500 Euro für bedürftige Familien.

Und mit zwei weiteren Aussagen ließ Rendi-Wagner noch aufhorchen: Asylwerber sollen rascher abgeschobe­n werden, wenn sie gegen das

Strafrecht verstoßen. „Nicht wenn jemand einen Kaugummi stiehlt, aber bei sexueller Belästigun­g, Körperverl­etzung oder gar Mord. Da hat dieser Mensch jegliches Recht auf einen Aufenthalt in Österreich verwirkt.“Und bei der Frage nach einem SPÖ-Kandidaten für die nächstjähr­ige Bundespräs­identenwah­l lässt sie eine klare Präferenz erkennen: „Es ist in Österreich eigentlich Tradition, dass Präsidente­n eine zweite Amtszeit hatten. Ich schätze Alexander Van der Bellen sehr, und ich schließe nicht aus, dass wir ihn für einen zweiten Wahlgang unterstütz­en werden.“

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