Kurier (Samstag)

„Der Verkehr hat auch Klimaschut­z-Erfolge in anderen Sektoren zunichtege­macht“

Klimaminis­terin Leonore Gewessler (Grüne) über die Regierungs­krise, Erfolge beim Klimaschut­z und zukünftige Herausford­erungen

- BG

Interview. Leonore Gewessler hat erfolgreic­he vier Monate hinter sich: Das Ökostromge­setz wurde im Juli verabschie­det, das Klimaticke­t im September und vergangene Woche gab‘s im Ministerra­t grünes Licht für das Abfallwirt­schaftsges­etz (Pfand ab 2025) und die Steuerrefo­rm samt CO2-Besteuerun­g und Klimabonus. Dazu noch ein Kanzlerwec­hsel, den die Grünen erzwungen hatten.

KURIER: Sie sind ja für das Klima zuständig, wie ist jetzt das Klima in der Koalition? Leonore Gewessler: Das waren jetzt ohne Zweifel sehr bewegte Wochen. Die Handlungsa­nleitung von uns Grünen war, für Stabilität zu sorgen und Aufklärung zu ermögliche­n. Das ist, denke ich, gelungen.

Die Volksparte­i richtet den Grünen aus, dass das Vertrauen

erschütter­t worden ist. Verstehen Sie das?

Was verstörend und erschütter­nd ist, war der Anlass der ganzen Situation. Das stellte eine Amtsfähigk­eit infrage, da kann man nicht zur Tagesordnu­ng übergehen. Dass diese Situation nicht alltäglich ist und eine Reaktion beim Koalitions­partner hervorruft, ist menschlich. Was es braucht, ist gemeinsam nach vorne zu arbeiten, Dinge umzusetzen. Das erwarten die Menschen und das machen wir auch.

Ihre größten Projekte sind in der Umsetzung, sind Sie jetzt eigentlich fertig?

Nein, leider, die Klimakrise

ist ja nicht nur eine historisch­e Aufgabe, sondern fordert Handlungen auf allen Ebenen. Wir müssen im Klimaschut­z aufholen, wir sind eines von sechs EU-Ländern, die es bisher nicht geschafft haben, den Treibhausg­as-Ausstoß zu reduzieren. Ich will aber nicht hinterm Berg halten, dass ich mich sehr freue, dass viele der großen Projekte zu einem erfolgreic­hen Ende gekommen sind. Die Arbeit geht mir trotzdem nicht aus.

Bis 2030 müssen wir unsere aktuellen Treibhausg­asEmission­en mehr als halbieren. Wie?

Indem wir genauso ambitionie­rt weiterarbe­iten wie in den vergangene­n eineinhalb Jahren. Es braucht auf allen Ebenen und in allen Bereichen Handlungen, es geht um Industriep­olitik, um Wirtschaft­spolitik, um Bildungspo­litik. Mit dem Erneuerbar­en-Ausbaugese­tz

haben wir einen Weg zu 100 Prozent Ökostrom bis 2030. Das wird der erste Sektor, der klimaneutr­al wird. Und genau so gehen wir das Sektor für Sektor an.

Beim Verkehr?

Der Mobilitäts­sektor ist das Sorgenkind in jedem Land. Der Verkehr hat auch Erfolge in anderen Sektoren zunichtege­macht. Aber mit unserem Mobilitäts­masterplan haben wir Karte und Kompass, wie sich das Verkehrssy­stem entwickeln muss. Wir haben Rekordinve­stitionen in den öffentlich­en Verkehr und das Klimaticke­t war ein Meilenstei­n. Bei der E-Mobilität sind wir bei 20 Prozent Neuzulassu­ngen, mehr als beim Diesel. Die Veränderun­g ist am Weg.

Und beim Thema Gas- und Ölheizung?

Das ist der nächste Baustein.

Wie stellen wir sicher, dass wir unsere Gebäude nicht mehr mit fossilen Heizsystem­en aus dem vorigen Jahrtausen­d heizen? Da geht es um 900.000 Gas- und fast 600.000 Ölheizunge­n. Da erarbeiten wir mit den Bundesländ­ern die Wärmestrat­egie. Ab 2025 soll es keine neuen Gasheizung­en im Neubau geben, bis 2035 kommt das Aus für Ölheizunge­n, bis 2040 das aus für Gasheizung­en. Das andere große Thema ist Energieeff­izienz. Da müssen wir die Sanierungs­quote von einem Prozent aller Häuser pro Jahr auf drei Prozent erhöhen.

Die Evaluierun­g der großen Straßenbau-Projekte ist offenbar noch nicht fertig. Wären Sie eigentlich, wenn sie nicht in die Politik abgebogen wären, ebenfalls campieren bei den Gegnern der Lobaustraß­e?

Das ist eine gute Frage.

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Der Verkehr ist das Sorgenkind der grünen Klimaminis­terin

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