Kurier (Samstag)

Streit um Grenzzäune: Europa will für Mauern nicht zahlen

Geeinigt hat man sich aber auf robusteren Schutz der Außengrenz­en

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

28 Menschen auf engstem Raum in einen Kleinlaste­r gepfercht. Als die Polizei am Dienstag den Wagen im Burgenland nahe der ungarische­n Grenze stoppt, findet sie darin zwei Tote. Am selben Tag verunglück­t unweit der deutsch-polnischen Grenze ein Transporte­r mit 15 Personen auf der Ladefläche. Es bedurfte nicht erst dieser jüngsten Tragödien, um zu sehen: Die Zahlen illegaler Grenzübert­ritte in die EU steigen, entlang der Mittelmeer- und Balkanrout­e kommen wieder mehr Migranten. Mit der größten Unruhe aber sehen ausgerechn­et Litauen, Lettland und Polen, die bis vor kurzem kaum Migranten sahen, die Zahl ihrer Ankünfte steigen.

Von Belarus (Weißrussla­nd) aus schickt Diktator Alexander Lukaschenk­o bewusst Migranten in die EU – als eine Art Racheaktio­n für die Sanktionen der Union. „Das ist Missbrauch der zynischste­n Art“, empört sich Österreich­s Kanzler Alexander Schallenbe­rg. Beim EU-Gipfel in Brüssel machte er sich stark dafür, die Außengrenz­e der EU gegen diese „hybride Bedrohung“besser zu schützen. Geschehen könne dies, und das nicht nur im Nordosten der EU, mit allem, was die moderne Infrastruk­tur des Grenzschut­zes hergibt: NATO-Drahtzäune, Mauern, Wälle, Kameras, Drohnen.

Effiziente­rer Schutz

14 Milliarden Euro sind im nächsten EU-Budget für den EU-Außengrenz­schutz vorgesehen. Rechtlich gesehen wäre es möglich, die Summen für den Bau von Zäunen einzusetze­n. Und beim Gipfel in Brüssel hoffte Schallenbe­rg, gemeinsam mit eienigen weiterer Regierungs­chefs die anderen Staatenlen­ker überzeugen zu können, dass die EU künftig gemeinsam für ihre Grenzzäune und effiziente­ren Außengrenz­schutz zahlen soll.

Stundenlan­g wurde gestern darüber gestritten, ob der Bau von Grenzzäune­n von der EU mitbezahlt werden soll. Schallenbe­rg: „Wenn Litauen seine Grenze verstärkt, schützen sie auch uns, und es ist nicht einzusehen, warum die Steuerzahl­er in Litauen diese Last alleine tragen sollen.“

Doch die EU-Kommission lehnt die Idee vorerst ab. So gibt etwa Luxemburgs liberaler Premier Xavier Bettel zu bedenken: „Ich wäre beschämt, wenn ich einen Zaun mit dem Zettel ’finanziert durch die EU’ sehen würde.“Die Kommission erhielt allerdings von den Staatschef­s den Auftrag, nun noch weitere Vorschläge für besseren Grenzschut­z auszuarbei­ten und auch durchzufin­anzieren.

Der staatliche Schleuser

Lukaschenk­o hatte Ende Mai angekündig­t, dass Minsk Migranten nicht mehr an der Weiterreis­e in die EU hindern werde – als Reaktion auf verschärft­e westliche Sanktionen gegen sein Land. Seitdem sind mindestens 7.000 Personen über die Grenze in die EU geschleust worden.

Das Kuriose dabei: Weißrussla­nd musste die Migranten erst ins Land holen, um sie von dort Richtung Westen zu schicken. Die EU machte daraufhin massiven Druck, dass Flüge vom Irak, von Jordanien und vom Libanon aus nach Minsk gestoppt werden. Doch Weißrussla­nd griff zur nächsten List: Man leaste extra Flugzeuge und holte mit ihnen Migranten. Nun will die EU auch diese Flüge verhindern. Das Problem dabei: Die Leasingver­träge mit einer Firma in Irland haben eine Laufzeit von bis zu 10 Jahren.

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Polen errichtet einen Grenzzaun zu Weißrussla­nd

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