Kurier (Samstag)

„Manchen wirst du immer auf den Sack gehen“

Manuel Feller. Warum der Tiroler Ski-Star polarisier­t wie kein Zweiter, was er seinen Kritikern ausrichtet und wie er über Social Media und die Olympische­n Winterspie­le in China denkt

- Interview VON CHRISTOPH GEILER

An Manuel Feller ist mit Sicherheit kein Diplomat verloren gegangen. Der Tiroler sagt, was er sich denkt, er zeigt, wie er sich fühlt und legt sich schon auch einmal mit seinen Kritikern an. Kein Rennläufer polarisier­t so wie der 29-Jährige, der im vergangene­n Winter endlich seine ersten beiden Weltcupren­nen gewinnen konnte.

KURIER: Über Sie hat es lange geheißen: Der ist zwar lustig, aber er gewinnt halt nichts. Manuel Feller: Die letzte Saison war sehr, sehr wichtig. Der Knackpunkt war der Slalom in Alta Badia. In den drei Riesentorl­äufen vorher habe ich nie das Ziel gesehen, und dann fahre ich im Slalom auf den zweiten Platz. Das war eine richtige Erlösung.

Inwiefern war es für Sie eine Erlösung?

Weil das Jahr zuvor sehr turbulent verlaufen ist. Es ist schwierig, wenn der Körper nicht mitspielt und man nicht zeigen kann, was man draufhat. Das Problem ist ja: Sobald dein Name einmal öfter in der Zeitung steht und du lieferst dann nicht, dann wirst du manchen Leuten immer auf den Sack gehen. Wenn da ein Junger daherkommt, Radau macht und vorne mitfährt, hilft jeder zu dem Jungen und nicht zu dem, der seit zehn Jahren dabei ist und immer einen Blödsinn redet. Man muss auch ehrlicherw­eise sagen, dass ich auch auf gewisse Dinge falsch reagiert habe.

Sprechen Sie von Ihrer Videobotsc­haft, bei der Sie Ihren Kritikern den Mittelfing­er gezeigt haben?

Ich hätte vielleicht andere Worte und andere Zeichen verwenden sollen. Wenn man schon körperlich und psychisch am Limit ist, dann ist die Zündschnur manchmal sehr kurz. Das ist halt so.

War das ein Fehler? Bereuen Sie diese Reaktion heute? Fehler würde ich nicht sagen. In diesem Moment habe ich das eben so empfunden und wollte damit auch gewisse Sachen ausdrücken. Der Mittelfing­er hat sehr viel verfälscht von der Botschaft.

Was wollten Sie denn zum Ausdruck bringen?

Ich wollte sagen: ,Hey, ich mach’ das seit 17 Jahren und du willst mir echt noch erzählen, wo ich beim Fahren meine Hand hintun soll, wie ich Skifahren soll? Ich sag’ dir ja auch nicht, wie du beim Mauern den Ziegel befestigen sollst.‘ Das Problem war: Ich war nicht in der Lage, den Kritikern auf dem Schnee zu kontern. Dann habe ich den Leuten auch gesagt: ,Hey, ihr seid’s Idioten.‘ Wobei ich mich gerne in andere Leute versetze und sie verstehen kann.

Sie verstehen Ihre Kritiker?

Es ist nicht der Job eines Skifans, zu wissen, dieser und jener Läufer hatte einen Bandscheib­envorfall oder der steht mit Kreuzweh am Start. Der Skifan schaut sich die Rennen an, weil er die besten Skifahrer der Welt sehen will und auch die beste Leistung. Und nicht wie einer heruntergu­rkt und dann sagt: Das war so lala, ich habe Kreuzweh.

Können Sie denn Reaktionen auf Social Media überhaupt noch überrasche­n?

Auf Social Media kann mich gar nichts mehr überrasche­n. Es ist heftig, was dort passiert. Ich lese inzwischen keine Kommentare mehr. Social

Media hat leider nicht mehr den Zweck, den es einmal hatte. Und ich habe meine Seite dort nicht gemacht, um mich beleidigen zu lassen.

Sie sind seit Kurzem zweifacher Vater. Haben Sie heute einen anderen Zugang zum Skifahren?

Ich habe es schon immer als Privileg gesehen, dass ich Skifahren darf. Das habe ich übrigens im letzten Winter auch erwähnt. Ich habe gesagt, dass wir froh sein dürfen, dass wir Skifahren können und wie cool es ist, dass man innerhalb eines Tages ein Event von Kitzbühel nach Flachau verlegt. Aber das interessie­rt die Leute nicht mehr, wenn du eine falsche Aussage triffst. Man hat dann nur den Sager mit der „Märchenwie­se“gehört.

So haben Sie den Slalomhang in Flachau bezeichnet.

Viele haben es als Kritik gegenüber den Frauen gesehen. Das hat mich extrem gestört, denn das wollte ich sicher nicht zum Ausdruck bringen. Trotzdem war es am Ende die geilste Geschichte des letzten Winters.

Weil Sie dann auf besagter Märchenwie­se Ihren ersten Weltcupsie­g gefeiert haben? Das wird man nicht mehr vergessen. Und das war übrigens auch das Rennen mit den höchsten Einschaltq­uoten. Warum wohl?

Warum?

Weil 200.000 Leute mich nur auf die Fresse fliegen sehen wollten. Aber das hat ja auch was. Die Leute sollen die Rennen schauen, und wenn sie mich herkugeln sehen wollen, auch okay. Ich habe viele Freunde, die null mit Skifahren zu tun haben und sich jetzt wegen mir die Rennen anschauen. Ich bring’ sogar Jamaikaner zum Skifahren, die schauen sich Olympia an. Das finde ich cool.

Apropos Olympia: Wie stehen Sie zu den Winterspie­len in Peking?

Ich bin kein China-Kritiker, ich finde es sogar cool, wenn China Interesse am Skisport zeigt. Aber China ist so ein großes Land, die hätten sicher auch Skigebiete, wo es schneit. Aber da wo wir sind, da fällt keine Flocke Schnee. Da ist es zwar kalt, aber dort müssen sie Wände aufstellen, damit es ihnen nicht die Steine auf die Piste bläst. Ich will jetzt keine Institutio­nen kritisiere­n: Aber wo in den letzten Jahren die Olympische­n Spiele waren, wie sie abgelaufen sind, welche Bedeutung sie hatten – der Sport ist meist in den Hintergrun­d gerückt. Insofern taugen mir eine WM, wo der Skisport gefeiert wird, oder Kitzbühel viel mehr.

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Große Ziele: Manuel Feller will auch im Riesentorl­auf durchstart­en

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