Kurier (Samstag)

Guter alter Granit

- VON BARBARA MADER barbara.mader@kurier.at

Am Neuen Markt wird ja jetzt alles anders. Die Autos sollen unter die Erde. Besser wär’s ganz ohne gewesen, aber das traut sich keiner, der in Wien Wahlen gewinnen will. Vom neu gestaltete­n Platz ist noch nicht viel zu sehen, aber dass hier Bäume gepflanzt werden, gilt als fix. Alles grün und gut. Aber ein Platz ist kein Beserlpark. Guter Stein wird zu wenig gewürdigt. Hier eine Geschichte dazu.

Sie wissen ja: Am Stephanspl­atz gab es zwischen 1255 und 1732 einen Friedhof. Im Zuge des U-Bahnbaues 1973 begann die Diskussion, wie mit den Spuren der Vergangenh­eit umzugehen sei. Man überlegte künstleris­che Interventi­onen.

Bildhauer um den Künstler Karl Prantl befürworte­ten eine Neufassung des Platzes und fanden: Auf diesen besonderen Platz gehört Naturstein. Zu teuer, sagte die Stadt. Also beschlosse­n die Bildhauer, sämtliche Grabsteind­epots Wiens zu durchforst­en und mit den Funden einen Entwurf zu gestalten. Sie verlegten ein strahlenfö­rmiges Musterfeld aus historisch­em Steinmater­ial. Es gibt Entwürfe davon, sie sind beeindruck­end. Es wurde trotzdem nichts daraus. Das Einzige, was von der BildhauerI­dee übrig blieb, war der Umriss der Maria-Magdalena-Kapelle von Hannes Haslecker (darunter befindet sich heute die Virgilkape­lle), allerdings auch nicht mehr in der ursprüngli­chen Form. Architekt Otto Häuselmaye­r aber, der die Bildhauer

fachlich begleitet hatte, trug die Idee von (recyceltem) Naturstein weiter mit sich herum. Als er viele Jahre später die Oberfläche der Freyung umgestalte­te, gab’s ein Déjà-vu. Seinem Wunsch nach Naturstein entgegnete die Stadt: Zu teuer. Der Architekt ließ nicht locker, Naturstein musste es sein. Altes Steinmater­ial, unter anderem von der kurz zuvor umgebauten Triester Straße, liegt heute auf der Freyung. Guter alter Granit aus der Kaiserzeit. Aus Steinbrüch­en aus Böhmen und Mähren kam er einst auf die Triester Straße. Lag dort mehr als hundert Jahre und kommt nun auf der Freyung zur Ruhe, neben Steinreste­n aus dem Mittelalte­r. Er wird noch länger dort liegen.

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