Kurier (Samstag)

Schnitzel gegen Wanderweg: Der kuriose Kampf um die Stadtstraß­e

Das Thema ist komplex, die Fronten sind verhärtet – Gegner wie Befürworte­r werden zunehmend erfinderis­ch

- Reportage S. RACHBAUER

Die sonst eher schmucklos­e Planungswe­rkstatt am Friedrich-Schmidt-Platz hat sich am Donnerstag­abend in eine Art Schrein für das aktuell am meisten diskutiert­e Verkehrspr­ojekt Wiens verwandelt: die Stadtstraß­e, die ab 2025 die Tangente mit der S1 samt Lobautunne­l verbinden soll.

Die Wände des städtische­n Ausstellun­gszentrums waren mit riesigen Luftaufnah­men von Wien sowie Tafeln mit vielen Comic-Autos und noch mehr spielenden Kindern darauf ausstaffie­rt – für einen einzigen Abend. Im Vorraum hatte man ein üppiges Buffet mit Mini-Schnitzerl­n, Tofuspieße­n und Wein aufgebaut. All das bildete die

Kulisse für ein Hintergrun­dgespräch mit Journalist­en, zu dem Verkehrsst­adträtin Ulli Sima (SPÖ) geladen hat.

Warum dieser Aufwand? Die Debatte über die Stadtstraß­e wird seit Jahren geführt. Trotz allem blickt bei dem Thema kaum jemand so richtig durch, denn es ist äußerst komplex. Befürworte­r und Gegner übertrumpf­en einander mit schwer überprüfba­ren Argumenten. Das Resultat: Das (mediale) Interesse schwindet. Das weiß Sima – die genau deshalb derartige Termine veranstalt­et.

Nicht von ungefähr kam daher der wohl bemerkensw­erteste Satz des Abends: „Bei den vielen Zahlen kenne ich mich oft selbst nicht mehr aus“, gestand Verkehrspl­aner Werner Rosinak.

Er war nicht der Einzige, den Sima geladen hat. Weiters am Podium: SPÖ-Klubchef Josef Taucher, Planungsdi­rektor Thomas Madreiter, Robert Lechner vom Ökologiein­stitut und Christof Schremmer vom Institut für Raumplanun­g. Sie referierte­n – unter Zuhilfenah­me vieler, vieler Zahlen auf Powerpoint-Folien – einmal mehr sämtliche Argumente für die Stadtstraß­e.

Gegen „Flächenfra­ß“

Inhaltlich versuchte man zumindest einen neuen Dreh: Jene Wohnungen, für deren Bau die Stadtstraß­e laut UVP Voraussetz­ung ist, seien ein Beitrag gegen die Bodenversi­egelung,

hieß es. Würde dieser Wohnraum nicht in Wien, sondern alternativ etwa in Niederöste­rreich geschaffen, wäre das mit weit mehr „Flächenfra­ß“verbunden. In der Stadt werde eben kompakter gebaut. Dieser Aspekt interessie­rte Sima so sehr, dass sie sich quasi selbst als Journalist­in versuchte und bei den Experten nachhakte.

Die Projektgeg­ner scheuten am Donnerstag ebenfalls keine Mühen: Greenpeace hat in der Lobau einen Wanderweg eröffnet, um auf die „drohenden Gefahren“durch den Tunnelbau aufmerksam zu machen. Am Nationalfe­iertag lädt man zum kollektive­n Wandern. Welche Verpflegun­g es dort geben wird, ist nicht überliefer­t.

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Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) mit den Experten Robert Lechner, Werner Rosinak und Christof Schremmer

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