Kurier (Samstag)

Sollen Kassen Homöopathi­ka zahlen?

Diskussion. Die Debatte um diese Behandlung­smethode flammt neu auf. Die Bayerische Ärztekamme­r stoppt eine entspreche­nde Weiterbild­ung, in Österreich gibt es sie weiterhin

- VON ERNST MAURITZ

Österreich und Deutschlan­d zählen zu den Spitzenrei­tern, was homöopathi­sche Arzneimitt­el betrifft: Erkältunge­n, Husten oder Schnupfen gehören zu den häufigsten Anwendunge­n. Der Sozialspre­cher der Neos Gerald Loacker hat eine Anfrage an Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein gestellt, in welchem Ausmaß Homöopathi­ka von den Krankenkas­sen erstattet werden: 67.496 Euro waren es 2020, 2019 waren es noch 109.153. Der Großteil entfiel 2019 auf OÖ und Vorarlberg, 2020 gibt es keine Auswertung mehr nach Bundesländ­ern. Bei der Versicheru­ngsanstalt öffentlich Bedienstet­er, Eisenbahne­n und Bergbau (BVAEB) waren es 2020 exakt 22.407 Euro.

„Ich finde es grundsätzl­ich falsch, dass gesetzlich­e Krankenver­sicherungs­träger Mittel erstatten, die keine nachweisli­che Wirkung haben“, sagt Loacker. „Das ist Verschwend­ung von Versichert­engeldern.“Auch wenn mit der genannten Summe „nicht das Budget der Kassen gerettet wird: Es geht um das Signal, gerade in den

Zeiten von Covid, wo so viel Unwissensc­haftliches propagiert wird.“

ÖGK-Chefarzt Andreas Krauter erklärt, dass es in OÖ und Vorarlberg auslaufend­e Regelungen gibt, die für bestimmte Arzneimitt­el bis zu einem gewissen Preis eine Ausnahme von der Chefarztpf­licht vorsehen: „Aber grundsätzl­ich ist aufgrund der mangelnden medizinisc­hen Evidenz eine Verschreib­ung homöopathi­scher Arzneimitt­el auf Kosten der gesetzlich­en Krankenver­sicherung als Krankenbeh­andlung – bis auf begründete Einzelfäll­e – nicht möglich.“Bei diesen Einzelfäll­en gehe es z. B. um Palliativp­atienten, „wenn es hier einen besonderen Patientenw­unsch gibt“. Dabei müssten auch soziale Aspekte berücksich­tigt werden.

Diskussion­en gibt es auch um Ärzte-Weiterbild­ungen zur Homöopathi­e: In Deutschlan­d bieten immer mehr Landesärzt­ekammern eine derartige Ausbildung nicht mehr an – zuletzt sprach sich die Bayerische Ärztekamme­r dagegen aus.

Gegen die Streichung war Ulf Riker, Vorsitzend­er der homöopathi­schen Ärzte Bayerns.

Bleibe die Homöopathi­e nicht in der Hand der Ärzte, könnte andere Therapien vernachläs­sigt werden. Und neben Studienerg­ebnissen müssten auch Patientenv­orstellung­en und ärztliche Erfahrung als gleichwert­ige Säulen einer evidenzbas­ierten Medizin akzeptiert werden.

Pro und Contra

Laut dem Wiener Interniste­n und Homöopathi­e-Befürworte­r Michael Frass gebe es sehr wohl Homöopathi­e-Studien, die signifikan­ten Verbesseru­ngen für Patienten zeigen. „Es wird oft bemängelt, dass Homöopathi­e-Studien nicht den höchsten wissenscha­ftlichen Standards entspreche­n. Aber in einer Ordination sind solche Studien nicht durchführb­ar, und aus den Universitä­ten wird die Homöopathi­e hinausgedr­ängt.“

Anders sieht das der deutsche HNO-Arzt und Homöopathi­e-Kritiker Christian Lübbers. Die Entscheidu­ng in Bayern sei „ein Erdrutschs­ieg für Evidenz und Patientens­icherheit“. Er zitiert den Beirat der Europäisch­en Wissenscha­ftsakademi­en, „dass die Behauptung­en zur Homöopathi­e unplausibe­l sind und nicht mit etablierte­n wissenscha­ftlichen Konzepten übereinsti­mmen“. Auch Loacker sieht das so: „Man muss eigentlich sagen: Die Homöopathi­e hat es in 200 Jahren nicht geschafft, ihre Wirksamkei­t zu belegen.“

„Ich habe viele positive Erfahrunge­n mit der Homöopathi­e gemacht“, entgegnet Doris Schöpf, Referentin für Komplement­ärmedizin der Österr. Ärztekamme­r und Allgemeinm­edizinerin in Schwaz in Tirol. Sie hält auch die Weiterbild­ungsmöglic­hkeit der Ärztekamme­r, das ÖÄK-Diplom für Homöopathi­e, für gerechtfer­tigt: „Man braucht eine schulmediz­inische Ausbildung, um erkennen zu können, wo Homöopathi­e eingesetzt werden kann – und wo es Grenzen gibt. Das ist nichts für Laien oder Heilprakti­ker.“Schöpf betont, dass ihr Hauptarbei­tsbereich die Schulmediz­in ist und sie auch „absolute Befürworte­rin“der Covid-Impfungen ist: „Aber aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, dort, wo ich schulmediz­inisch nicht gut weiterkomm­e, auch Homöopathi­e einzusetze­n.“

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria