Kurier (Samstag)

Ein Steg für Marko Feingold und Straßen für die Nazis

Erwin Riess und die Nebensache­n

- PETER PISA

Herr Groll und die Wölfe von Salzburg. Herr Groll, nach sieben Romanen weiß man es, kennt sich aus bei Flüssen.

Neulich sitzt er mit Josef, seinem Rollstuhl, bei den Obauers in Werfen und entdeckt auf der Speisekart­e sibirische­n Kaviar. Das ist ihm zu wenig Informatio­n: Zwischen Lena, Ob, Irtysch und Jenissei ist der Qualitätsu­nterschied groß. Zusätzlich interessie­rt ihn, ob der Stör im Mitteloder Unterlauf schwimmt. Unterlauf ist besser. Im Mittellauf ist der Fisch so „verschloss­en im Anbiss“.

Herr Groll wird ein Schnitzel bestellen.

Viele Umwege

Das ist eine (scheinbare) Nebensächl­ichkeit in „Herr Groll und die Wölfe von Salzburg“.

Hauptsache ist (scheinbar), dass Wolfsrudel während der Festspielz­eit einfallen. Sie reagieren auf Uniformen, den römischen Priester, der gerade ein Dirndl anprobiert, haben sie zerfleisch­t.

Auch gibt es Entführung­sopfer und Puppen mit Sakko, aber ohne Kopf, die in Salzburg verteilt wurden.

Aber das ist es nicht, weswegen man diese Bücher so mag. Mit dem gelähmten Herrn Groll, seinem Josef und dem Freund mit reicher Mutter, genannt „der Dozent“, will man über ganz viele Umwege irgendwohi­n.

Diesmal führt der Weg über Oskar Werner, Schubert, Senta Berger, Mozart, George Soros ... Und gibt es kein Ziel, no, das macht gar nichts.

Zuletzt der Band sieben, der fiel aus der Reihe. Hintergrun­d war: Behinderte­nheime in Ungarn bekamen von der EU Fördergeld, weil niemand kontrollie­rte, dass die Bewohner in Käfigen gehalten wurden. Das war untypisch für Erwin Riess, weil sehr, sehr ernst.

Kein Orgasmus

Normalerwe­ise erlaubt sich der Wiener, Herrn Grolls Alter Ego, zwischendu­rch z.B. eine launige Abhandlung darüber, wodurch sich die Sexualität einer jüdisch-polnisch-manichäisc­hen Spätantike-Forscherin auszeichne­t.

Richtig: Sex findet sie super, aber es darf keinen Orgasmus geben.

„Die Wölfe von Salzburg“schließen lächelnd an. Wobei der Roman am besten ist, wenn man sich beim Lesen unwohl fühlt. Etwa wenn Riess einbaut, dass in dessen Heimat Salzburg ein Steg nach dem 2019 verstorben­en KZ-Überlebend­en und Mahner Marko Feingold benannt wurde. Ein Steg!

NSDAP-Mitglieder haben Straßen bekommen.

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Erwin Riess, Schriftste­ller und Behinderte­naktivist

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