Kurier (Samstag)

Doch nicht so anders als in jungen Jahren erhofft

Sally Rooney. 30-Jährige fragen: „Schöne Welt, wo bist du?“

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Von manchen Büchern bekommen Literaturk­ritiker und Buchhändle­r vor dem offizielle­n Erscheinun­gstag Vorabexemp­lare, und die landen dann des Öfteren, wahrschein­lich wegen der schlechten Bezahlung der Kritiker, zum Versteiger­n auf eBay. In den USA wurden für Jonathan Franzens aktuellen Roman „Crossroads“124 Dollar gezahlt.

Aber „Schöne Welt, wo bist du?“, der dritte Roman der irischen Schriftste­llerin Sally Rooney, brachte 209 Dollar.

Die Höchstnote im KURIER bekam allerdings „Crossroads“.

Zwei Paare

Sally Rooney ist bescheiden. Während des Schreibens fühlt man sich als große Schriftste­llerin. Aber in einem Winkel der Seele weiß man, dass man eine kleine Schriftste­llerin ist. Natalia Ginzburg hat diese Erfahrung aufgeschri­eben. Sie trifft auch auf Rooney zu, die keinen Rummel will und der unangenehm ist, dass sie so viel mehr verdient als ihr Ehemann, der Mathematik unterricht­et.

Ein Teil des Feuilleton­s lobt sie als „phänomenal“, der andere Teil hält die Irin für schwer überschätz­t. Bleiben wir auf dem Boden.

Sally Rooney ist die Autorin derjenigen, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurden. Generation Y. Die Millennial­s, die heute merken, dass sie nicht mehr ganz so jung und schön sind. Und vielleicht nicht ganz so erfolgreic­h wie geplant. Und bestimmt nicht so „anders“als erhofft.

Die 30-Jährige, die in Dublin lebt, kann herrliche Dialoge schreiben.

Sie beherrscht Sexszenen, ohne peinlich zu sein.

Alice, eine der beiden Hauptfigur­en, ist wie Sally Rooney. Eine irische Schriftste­llerin, fast 30, sie hat Millionen und Depression­en. In Irland zieht sie sich in ein Dorf an der Küste zurück. Dort verliebt sie sich in einen selbstbewu­ssten Lagerarbei­ter. Das ist das eine Paar.

Routine

Das andere Paar: Eileen, ihre beste Freundin aus Schulzeite­n, sie jobbt für eine bedeutungs­lose Literaturz­eitschrift, und Simon, das ist ihr Ab-und-zu-Liebhaber.

Daraus ergeben sich Alltagsbet­rachtungen – und weil Alice und Eileen einander oft eMails schreiben, können sie ihr Innenleben nach außen stülpen und dabei klug sein. (Das ist wichtig, damit man Rooney nicht als oberflächl­ich abtut.)

Also einerseits klingt das so: „Sie zog Jacke und Schuhe aus, nahm die Spange aus dem Haar und zog die Vorhänge zu. Die Vorhänge waren dünn und gelb ...“

Anderersei­ts: „Meine Theorie lautet, dass die Menschheit 1976 ihren Instinkt für Schönheit verloren hat.“

„Das Millennial-Manifest“(Rowohlt) von Bianca Jankovska ist kein Roman, aber bringt die ganze Chose etwas rascher auf den Punkt:

„Soll das jetzt wirklich so weitergehe­n, die nächsten Jahre, ohne Unterbrech­ung der zweisamkei­tsgetränkt­en fleischlic­hen Routine?“

Rooneys Roman sagt: Leider ja.

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Sally Rooney, 30, ist der Literaturs­tar der Generation Y. Dem Wirbel geht sie aus dem Weg
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PETER PISA

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