Er ließ der Musik den Vortritt und wollte niemals ein Star sein
Dirigent Bernard Haitink (1929–2021) ist mit 92 Jahren verstorben
Ende August 2019. Im Großen Salzburger Festspielhaus erklingt der letzte Ton von Anton Bruckners siebenter Symphonie. Danach: Völlige Stille. Nach einer gefühlten Ewigkeit: Ovationen. Für die Wiener Philharmoniker und für Bernard Haitink, den das Orchester im Anschluss auch zu seinem Ehrenmitglied ernannte. Es war das letzte Konzert des niederländischen Dirigenten in Österreich, der damals im Alter von 90 Jahren endgültig Abschied vom Podium nahm. Ein denkwürdiges, nachhaltiges Erlebnis.
Und um Nachhaltigkeit ging es dem in Amsterdam geborenen Maestro immer. Ob als Chefdirigent des Concertgebouworchesters Amsterdam (diesem war Haitink mehr als 60 Jahre lang verbunden), ob als Dirigent des London Philharmonic Orchestra, als musikalischer Leiter des Glyndebourne-Festivals, als Chef am Londoner Royal Opera House Covent Garden, am Pult der Orchester in Boston und Chicago oder als Chefdirigent der Staatskapelle Dresden und natürlich am Pult der Wiener Philharmoniker – Haitink eilte stets von Erfolg zu Erfolg.
Ein Star seiner Zunft also? Nein, das wollte Haitink nie sein. Er selbst meinte einmal zu diesem Thema: „Ich bin ein bisschen schüchtern.“Er mied das Rampenlicht konsequent, setzte sich lieber mit der Musik auseinander.
Zwei Götter
Zwei Komponisten lagen ihm dabei besonders am Herzen. Anton Bruckner und Gustav Mahler. Sie waren Haitinks Götter; mit seinen Interpretationen ihrer Werke setzte er bis zuletzt live und auf Tonträger Maßstäbe. „Bruckner und Mahler waren einfach immer da“, meinte Haitink.
Wie eben auch Richard Strauss, mit dessen Werken er vor allem in Dresden Triumphe feierte. Triumphe, die er aber immer dem jeweiligen Komponisten widmete. Fast verlegen nahm der fünffache Vater – Haitink war vier Mal verheiratet – zahlreiche Ehrungen entgegen.
Breit war sein Repertoire, das u. a. Beethoven, Brahms, Schumann, Tschaikowsky, Schostakowitsch und Richard Wagner umfasste. Vieles davon ist für die Nachwelt dokumentiert. Zum Immer-Wieder-Hören. Oder wie er selbst betonte: „Ein Leben ohne Dirigieren wäre miserabel.“