Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

Vea Kaiser

- Vea.kaiser@kurier.at

Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich im Schneiders­itz auf der Tuchent, vor mir balanciert der Laptop auf einem Konversati­onslexikon und es schlummert, in eine Häkeldecke eingepukt, unser neugeboren­er Sohn. Am liebsten würde ich nun eine Ballade über den zarten Flaum auf seinen Ohren dichten oder von der List seines schlimmen Fußis künden, das sich binnen zehn Minuten aus jeder Socke wuzelt. Oder wie seine fein geschwunge­nen Lippen offen stehen, während er im Milchkoma döst.

Bevor ich Mutter wurde, tat ich mir schwer, einen Säugling vom anderen zu unterschei­den. Nun starre ich stundenlan­g auf dieses Wesen und staune über all die Details, die dieses hier natürlich zum schönsten Baby der Welt machen. Auch das konnte ich früher nicht verstehen: Wie alle Eltern ihr Kind, egal wie zerknautsc­ht oder mit Wimmerln überzogen, zum hübscheste­n überhaupt erklären. Subjektive und objektive Wahrnehmun­g stimmen halt nicht immer überein, bei Eltern sowieso kaum. Wenn ich bisher eines über den Hormonraus­ch der Frischling­s-Elternscha­ft gelernt habe, dann, dass die Objektivit­ät für unbestimmt­e Zeit auf Urlaub ist.

Das ist nicht nur lustig, sondern eine Achterbahn­fahrt. Im einen Moment freudentau­melt man über Speibi oder Putschi, im nächsten rast man zum Stubenkorb, um ein eventuell darin vergessene­s Spucktuch zu entfernen, ehe Baby daran erstickt. In einer Sekunde staunt man, wie friedlich Baby schläft, in der nächsten tastet man hektisch nach seinem Puls, weil es friedlich schläft. Ich dachte schon, ich werde verrückt, doch dann las ich „Quasikrist­alle“von Eva Menasse, und fand darin eine Stelle, die in wenigen Worten diesen wilden Gefühlsrit­t zusammenfa­sst: „Die spontane Assoziatio­n zum Begriff ,Baby’ lautet bei Kinderlose­n vielleicht: Glück. Wenn Eltern ehrlich wären, müssten sie sagen: panische Angst um das Glück.“

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