FABELHAFTE welt
Vea Kaiser
Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich im Schneidersitz auf der Tuchent, vor mir balanciert der Laptop auf einem Konversationslexikon und es schlummert, in eine Häkeldecke eingepukt, unser neugeborener Sohn. Am liebsten würde ich nun eine Ballade über den zarten Flaum auf seinen Ohren dichten oder von der List seines schlimmen Fußis künden, das sich binnen zehn Minuten aus jeder Socke wuzelt. Oder wie seine fein geschwungenen Lippen offen stehen, während er im Milchkoma döst.
Bevor ich Mutter wurde, tat ich mir schwer, einen Säugling vom anderen zu unterscheiden. Nun starre ich stundenlang auf dieses Wesen und staune über all die Details, die dieses hier natürlich zum schönsten Baby der Welt machen. Auch das konnte ich früher nicht verstehen: Wie alle Eltern ihr Kind, egal wie zerknautscht oder mit Wimmerln überzogen, zum hübschesten überhaupt erklären. Subjektive und objektive Wahrnehmung stimmen halt nicht immer überein, bei Eltern sowieso kaum. Wenn ich bisher eines über den Hormonrausch der Frischlings-Elternschaft gelernt habe, dann, dass die Objektivität für unbestimmte Zeit auf Urlaub ist.
Das ist nicht nur lustig, sondern eine Achterbahnfahrt. Im einen Moment freudentaumelt man über Speibi oder Putschi, im nächsten rast man zum Stubenkorb, um ein eventuell darin vergessenes Spucktuch zu entfernen, ehe Baby daran erstickt. In einer Sekunde staunt man, wie friedlich Baby schläft, in der nächsten tastet man hektisch nach seinem Puls, weil es friedlich schläft. Ich dachte schon, ich werde verrückt, doch dann las ich „Quasikristalle“von Eva Menasse, und fand darin eine Stelle, die in wenigen Worten diesen wilden Gefühlsritt zusammenfasst: „Die spontane Assoziation zum Begriff ,Baby’ lautet bei Kinderlosen vielleicht: Glück. Wenn Eltern ehrlich wären, müssten sie sagen: panische Angst um das Glück.“