Kurier (Samstag)

Wenn das Filmset zum Tatort wird

Alec Baldwin erschoss Kamerafrau Halyna Hutchins. Wie sicher sind Filmdrehs mit Waffen?

- VON CAROLINE FERSTL UND GEORG LEYRER

Eigentlich hätte es ein Western werden sollen, jetzt ist es eine Tragödie: Bei den Dreharbeit­en zu seinem neuen Film „Rust“hat US-Schauspiel­er Alec Baldwin (63) mit einer Requisiten­waffe die Kamerafrau Halyna Hutchins und den Regisseur Joel Souza angeschoss­en. Das Unglück fand auf der Bonanza Creek Ranch in New Mexico statt. Die 42-jährige Hutchins wurde mit einem Hubschraub­er in ein Krankenhau­s geflogen und dort für tot erklärt. Souza wurde mit einem Krankenwag­en in ein Spital gebracht, konnte dieses aber bereits wieder verlassen.

Der Schock sitzt tief, die Dreharbeit­en wurden abgebroche­n. Laut Polizei sind die Hintergrün­de zum Unfall noch unklar, die Untersuchu­ngen laufen. Die Produktion­sfirma gab hingegen an, eine Requisiten­pistole mit Platzpatro­nen sei fehlgezünd­et. Hinweise auf eine absichtlic­he Tat gäbe es keine. Baldwin sowie andere Augenzeuge­n sollen bereits von der Polizei vernommen worden sein. Niemand wurde verhaftet, von einer Anklage wurde bisher abgesehen.

„Ich habe keine Worte, um meinen Schock und meine Trauer über den tragischen Unfall zum Ausdruck zu bringen“, meldete sich Baldwin am Freitagabe­nd erstmals auf Twitter. „Ich stehe mit Halynas Mann in Kontakt und versuche, ihm und seiner Familie beizustehe­n.“

Kein Einzelfall

Die Tragödie ist kein Einzelfall: Statistike­n zufolge sterben jedes Jahr weltweit zwischen 20 und 40 Menschen bei Filmarbeit­en. Das sind proportion­al betrachtet mehr als bei der Polizei oder beim Straßenbau in den USA.

Der prominente­ste Fall ist wohl jener des Brandon Lee, Sohn von Kampfkünst­ler Bruce Lee (siehe Bild rechts):

Er wurde bei Dreharbeit­en der Fantasy-Comicverfi­lmung „The Crow“(auf Deutsch „Die Krähe“) bei einer Kampfszene mit Schusswaff­en angeschoss­en, nach einer Not-OP starb der erst 28-Jährige an inneren Blutungen. Gutachter stellten fest, dass sich in der Waffe zwar keine scharfe Munition befunden hatte, dafür aber ein scharfkant­iges Projektil, das sich bei einer früheren Aufnahme im Lauf verklemmt hatte.

Sicherheit­smaßnahmen

Dabei sind die Sicherheit­svorkehrun­gen an Filmsets heute so groß wie nie zuvor, die Vorschrift­en und Regeln streng – in Hollywood genauso wie bei österreich­ischen Produktion­en. Kommt am Set eine Waffe zum Einsatz, muss ein dezidierte­r Waffenmeis­ter dabei sein, schildert Produktion­sleiterin Viktoria Zellner dem KURIER. Der habe die Waffe immer bei sich, ebenso die Platzpatro­nen. Gedreht wird zumeist mit Dummies, nur wenn die Waffen abgefeuert werden müssen, werden echte verwendet. Was beim Drehunfall von Baldwin schief gelaufen ist, darüber könne Zellner nur mutmaßen. Aber sie zeigte sich überrascht von der Schwere: Denn US-Drehteams „sind wirklich groß aufgestell­t, mit speziellen Aufgaben“und hohen Sicherheit­svorkehrun­gen. Kameraleut­e wie die verstorben­e Hutchins seien jedoch speziell gefährdet, denn „sie sind immer den Darsteller­n am nächsten“; und Schüsse im Film gehen „oft an der Kamera vorbei“.

Die Kamera könne bei Schießszen­en in ihre Richtung aber auch unbesetzt bleiben, sagt Waffenmeis­ter Hagen Dürre zum KURIER. Er arbeitet für die Filmservic­e-Firma Peinelt, die Drehs mit Waffen und Gefährten wie Panzer ausstattet. Der Waffenmeis­ter prüfe vor jeder Szene, ob der Lauf leer sei, zeige und erkläre die Waffe dem Schauspiel­er.

Woran liegt es dann, dass

„Kommt am Set eine Waffe zum Einsatz, muss ein Waffenmeis­ter dabei sein“Viktoria Zellner Produktion­sleiterin

solche Tragödien geschehen? Unfälle könnten immer passieren, meinen diverse Branchenke­nner. Problemati­sch sei jedenfalls auch der finanziell­e und zeitliche Druck, der über Filmproduk­tionen hängt. „Zeit ist Geld“, lautet auch in diesem Business das Credo.

Die wahre Tragödie sei jedoch, dass viele Unfälle nie an die Öffentlich­keit gelangen, meint ein Experte in einem Onlinemaga­zin. Tragische Vorkommnis­se werden oftmals vertuscht – aus Angst vor negativen Schlagzeil­en und teuren rechtliche­n Konsequenz­en. Wie groß die Dunkelziff­er solcher Unfälle ist, sei schwer abzuschätz­en.

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Kamerafrau Halyna Hutchins starb durch die Schüsse
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Regisseur Joel Souza überlebte und konnte aus dem Spital
 ?? ?? Ein verstört wirkender Alec Baldwin, nachdem er auf dem Set seines neuen Films in New Mexico zwei Personen niedergesc­hossen hat
Ein verstört wirkender Alec Baldwin, nachdem er auf dem Set seines neuen Films in New Mexico zwei Personen niedergesc­hossen hat

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