Wenn das Filmset zum Tatort wird
Alec Baldwin erschoss Kamerafrau Halyna Hutchins. Wie sicher sind Filmdrehs mit Waffen?
Eigentlich hätte es ein Western werden sollen, jetzt ist es eine Tragödie: Bei den Dreharbeiten zu seinem neuen Film „Rust“hat US-Schauspieler Alec Baldwin (63) mit einer Requisitenwaffe die Kamerafrau Halyna Hutchins und den Regisseur Joel Souza angeschossen. Das Unglück fand auf der Bonanza Creek Ranch in New Mexico statt. Die 42-jährige Hutchins wurde mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen und dort für tot erklärt. Souza wurde mit einem Krankenwagen in ein Spital gebracht, konnte dieses aber bereits wieder verlassen.
Der Schock sitzt tief, die Dreharbeiten wurden abgebrochen. Laut Polizei sind die Hintergründe zum Unfall noch unklar, die Untersuchungen laufen. Die Produktionsfirma gab hingegen an, eine Requisitenpistole mit Platzpatronen sei fehlgezündet. Hinweise auf eine absichtliche Tat gäbe es keine. Baldwin sowie andere Augenzeugen sollen bereits von der Polizei vernommen worden sein. Niemand wurde verhaftet, von einer Anklage wurde bisher abgesehen.
„Ich habe keine Worte, um meinen Schock und meine Trauer über den tragischen Unfall zum Ausdruck zu bringen“, meldete sich Baldwin am Freitagabend erstmals auf Twitter. „Ich stehe mit Halynas Mann in Kontakt und versuche, ihm und seiner Familie beizustehen.“
Kein Einzelfall
Die Tragödie ist kein Einzelfall: Statistiken zufolge sterben jedes Jahr weltweit zwischen 20 und 40 Menschen bei Filmarbeiten. Das sind proportional betrachtet mehr als bei der Polizei oder beim Straßenbau in den USA.
Der prominenteste Fall ist wohl jener des Brandon Lee, Sohn von Kampfkünstler Bruce Lee (siehe Bild rechts):
Er wurde bei Dreharbeiten der Fantasy-Comicverfilmung „The Crow“(auf Deutsch „Die Krähe“) bei einer Kampfszene mit Schusswaffen angeschossen, nach einer Not-OP starb der erst 28-Jährige an inneren Blutungen. Gutachter stellten fest, dass sich in der Waffe zwar keine scharfe Munition befunden hatte, dafür aber ein scharfkantiges Projektil, das sich bei einer früheren Aufnahme im Lauf verklemmt hatte.
Sicherheitsmaßnahmen
Dabei sind die Sicherheitsvorkehrungen an Filmsets heute so groß wie nie zuvor, die Vorschriften und Regeln streng – in Hollywood genauso wie bei österreichischen Produktionen. Kommt am Set eine Waffe zum Einsatz, muss ein dezidierter Waffenmeister dabei sein, schildert Produktionsleiterin Viktoria Zellner dem KURIER. Der habe die Waffe immer bei sich, ebenso die Platzpatronen. Gedreht wird zumeist mit Dummies, nur wenn die Waffen abgefeuert werden müssen, werden echte verwendet. Was beim Drehunfall von Baldwin schief gelaufen ist, darüber könne Zellner nur mutmaßen. Aber sie zeigte sich überrascht von der Schwere: Denn US-Drehteams „sind wirklich groß aufgestellt, mit speziellen Aufgaben“und hohen Sicherheitsvorkehrungen. Kameraleute wie die verstorbene Hutchins seien jedoch speziell gefährdet, denn „sie sind immer den Darstellern am nächsten“; und Schüsse im Film gehen „oft an der Kamera vorbei“.
Die Kamera könne bei Schießszenen in ihre Richtung aber auch unbesetzt bleiben, sagt Waffenmeister Hagen Dürre zum KURIER. Er arbeitet für die Filmservice-Firma Peinelt, die Drehs mit Waffen und Gefährten wie Panzer ausstattet. Der Waffenmeister prüfe vor jeder Szene, ob der Lauf leer sei, zeige und erkläre die Waffe dem Schauspieler.
Woran liegt es dann, dass
„Kommt am Set eine Waffe zum Einsatz, muss ein Waffenmeister dabei sein“Viktoria Zellner Produktionsleiterin
solche Tragödien geschehen? Unfälle könnten immer passieren, meinen diverse Branchenkenner. Problematisch sei jedenfalls auch der finanzielle und zeitliche Druck, der über Filmproduktionen hängt. „Zeit ist Geld“, lautet auch in diesem Business das Credo.
Die wahre Tragödie sei jedoch, dass viele Unfälle nie an die Öffentlichkeit gelangen, meint ein Experte in einem Onlinemagazin. Tragische Vorkommnisse werden oftmals vertuscht – aus Angst vor negativen Schlagzeilen und teuren rechtlichen Konsequenzen. Wie groß die Dunkelziffer solcher Unfälle ist, sei schwer abzuschätzen.