Kurier (Samstag)

Experten-Kritik an den Massentest­s in Wien

Nutzen laut Epidemiolo­gen Gartlehner zweifelhaf­t. Er plädiert für Screenings lediglich bei Risikogrup­pen

- Faktenchec­k VON JOSEF GEBHARD Bis zu 400.000 Gurgeltest­s erfolgen täglich in Wien

Nirgendwo sonst wird so viel getestet wie in Wien. Vehement wehrt sich die Stadt (unterstütz­t durch die Wirtschaft­skammer) nun gegen das geplante Aus des GratisCoro­na-Screenings. Deshalb hat sie, wie berichtet, Zahlen präsentier­t, die den enormen Nutzen des breiten Wiener Testprogra­mms belegen sollen.

Kam Wien durch die ? vielen Tests besser durch die Krise?

Laut Stadt konnten in Wien durch die breite Teststrate­gie im vierten Quartal 2021 bis zu 60.000 Infektions­fälle verhindert werden. Macht eine Kostenersp­arnis von bis zu 42 Millionen Euro. „Wenn es sich hier bloß um eine Hochrechnu­ng handelt, kann man die Zahlen vergessen“, ist Epidemiolo­ge Gerald Gartlehner skeptisch. Dass Wien im Herbst besser als andere Bundesländ­er da stand, habe vielmehr mit den strengeren Maßnahmen zu tun gehabt. Er sieht wenig Sinn im großflächi­gen, konzeptlos­en Testen von Symptomlos­en. Sehr wohl etwas bringen würde die diagnostis­che Abklärung von Verdachtsf­ällen und das Screening bei Risikopati­enten. Diese Tests sollten laut Gartlehner auch kostenlos bleiben.

Warum kostet der Wiener ? „Alles gurgelt“-Test nur 6 Euro, während andere PCR-Tests bis zu 25 Euro kosten?

Das habe mehrere Gründe, heißt es beim Laborbetre­iber Lifebrain: Der niedrige Preis sei einerseits durch das hohe Testvolume­n in Wien (täglich bis zu 400.000) möglich, anderersei­ts durch das kostenspar­ende Pooling-Verfahren, bei dem zehn Proben gleichzeit­ig analysiert werden. Als Teil einer internatio­nalen Gruppe habe man es auch leichter, kostengüns­tig das Material einzukaufe­n.

Wenn der Bund das ?

Aus für Gratistest­s beschließt, warum übernimmt dann nicht Wien die Kosten dafür?

„Für das gesamte PandemieMa­nagement ist das Gesundheit­sministeri­um zuständig, Wien hätte gar nicht die Kompetenz, die Kosten zu übernehmen“, sagt Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Dies bestätigt man auf Anfrage im Gesundheit­sministeri­um. Bei „Alles gurgelt“handle es sich um Screening-Programm, für dessen Finanzieru­ng der Bund zuständig sei.

Wie dramatisch ist aktuell ? die Lage in den Wiener Spitälern tatsächlic­h?

Aktuell liegen in Wien rund 545 Personen mit Corona auf einer Normalstat­ion. Das ist deutlich mehr als am Höhepunkt der Delta-Welle. Die Zahl der Intensivpa­tienten (67) ist derzeit aber deutlich niedriger. Seitens der Stadt weist man aber darauf hin, dass viele Mitarbeite­r selbst infektions­bedingt ausgefalle­n sind, wodurch die Lage angespannt sei. Eine Einschätzu­ng, die Gartlehner teilt. Zu befürchten sei, dass es durch die weitere Ausbreitun­g der Virus-Variante BA.2 wie in anderen Ländern zu Engpässen kommen könnte.

Sind die

?

Die Stadt bleibt vorerst bei 2-G in der Gastronomi­e und einer Maskenpfli­cht im gesamten Handel. Für Gartlehner sei dies angesichts der aktuellen Lage „absolut sinnvoll“. Allein mit FFP2-Masken in Innenräume­n ließe sich das Infektions­risiko um 80 Prozent reduzieren.

strengen Maßnahmen in Wien gerechtfer­tigt?

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