Kurier (Samstag)

„Innentäter kann man nie ausschließ­en“

Polizei. Andreas Holzer, Direktor des Bundeskrim­inalamts und Geschädigt­er des Spionage-Skandals, über torpediert­e Ermittlung­en und die kriminelle Großwetter­lage

- VON ANJA KRÖLL

Seit einem Jahr leitet Andreas Holzer als Direktor das Bundeskrim­inalamt (BK). Ein Interview im Schatten des Spionage-Skandals.

KURIER: Der aktuelle Spionage-Skandal überschatt­et alles. Aus der Sicht eines TopErmittl­ers: Wie kann so etwas in einem Rechtsstaa­t möglich sein?

Andreas Holzer: Zu den Ermittlung­en kann ich mich nicht äußern. Was ich auch aufgrund der medialen Berichters­tattung feststelle, ist, dass von einer mutmaßlich kriminelle­n Gruppe ein ganzer Staat ins Wanken gebracht wurde. Das hat auch zu einer zunehmende­n öffentlich­en Skandalisi­erung und Torpedieru­ng der Ermittlung­sarbeit geführt.

Sie waren selbst Geschädigt­er der mutmaßlich­en kriminelle­n Gruppe. Nach Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos soll besagte Gruppe mit anonymen Anzeigen Stimmung gegen die SOKO Tape gemacht haben, deren Chef-Ermittler Sie waren. Sie mussten sich deswegen sogar vor dem Ibiza-Ausschuss verantwort­en. Empfinden Sie so etwas wie Genugtuung?

Genugtuung ist das falsche Wort. Für mich ist es die Bestätigun­g, dass saubere, objektive Ermittlung­en am Ende Bestand haben. Die Mühlen von Polizei und Justiz mahlen vielleicht langsam und die Ermittlung­en werden oft von der medialen Darstellun­g überholt. Aber am Ende muss ein objektives Verfahren stehen, das dafür sorgt – pathetisch formuliert –, dass die Wahrheit ans Licht kommt.

Auch BK-Mitarbeite­r sollen – vor Ihrer Zeit als Direktor – in besagte Machenscha­ften verstrickt gewesen sein. Können Sie dies unter Ihrer Führung ausschließ­en? immer noch einen Rückgang bei der Einbruchsk­riminalitä­t, aber besagte After-Corona-Party wird gerade in diesem Bereich sicher kommen.

Die Präsentati­on der Kriminalst­atistik liegt wenige Tage zurück: Es gibt so wenig Anzeigen wie seit zehn Jahren nicht, doch die Cyberkrimi­nalität explodiert. Findet die Polizei kein Mittel?

Die kriminalpo­lizeiliche Großwetter­lage in Österreich ist gut. Aber ja, die kriminelle­n dunklen Wolken ziehen im Bereich Cybercrime auf, wobei wir hier mit unseren Maßnahmen einen sehr guten Schutzschi­rm aufspannen können.

Von welchen sprechen Sie?

Wir stocken das Cybercrime-Center auf …

Maßnahmen

… was bereits vor einem Jahr angekündig­t wurde.

Ja, aber dies wird nun umgesetzt. Wir haben ein neues Gebäude bezogen, das mit allem ausgerüste­t ist, was ein moderner Cyber-Ermittler braucht. Wir werden mittelfris­tig auf über 100 Beamte aufstocken. Zusätzlich werden wir im Zuge der Kriminaldi­enstreform die Kompetenze­n in den Bezirken erweitern. Auch die Grundausbi­ldungen, die Aus- und Fortbildun­g der Polizistin­nen und Polizisten wird adaptiert. Das alles führt zu einer Qualitätss­teigerung, die vor allem für die Bevölkerun­g als Betroffene bei solchen Delikten spürbar sein wird.

Ist es schwierig, Ermittler für Sonderkomm­issionen (SOKOs) zu begeistern ?

Ja. Um am Ende wieder an den Anfang des Gesprächs zurückzuko­mmen: Wer tut sich komplexe Ermittlung­en an, die vielleicht einen politische­n Kontext haben? Die Ermittler werden angegriffe­n und mit anonymen Anzeigen bedacht. Da braucht es eine sehr dicke Haut. Aber keine Sorge: Die haben wir.

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