Kurier (Samstag)

Der Wohlstands­fonds der Ärztekamme­r

Milliarden-Vermögen. Luxus-Immobilien und Wertpapier­e für die Altersvors­orge der Mediziner – vor den Wahlen öffnet die Wiener Kammer ihre Blackbox. Spektakulä­rer Immo-Deal in der City rentabel? Wirtschaft von innen

- Andrea.hodoschek@kurier.at

Dass die Wiener Ärztekamme­r nicht gerade zu den Not leidenden Interessen­svertretun­gen gehört, ist bekannt. Aber die Größenordn­ung überrascht dann doch. Die Kämmerer zogen kürzlich das bisher spektakulä­rste Immobilien­geschäft in der City durch und erstanden um 327,5 Millionen Euro die Adresse Graben 14.

Genau genommen ist der Wohlfahrts­fonds der neue Eigentümer. Aus dieser Schatztruh­e machten die honorigen älteren Kammer-Herren jahrzehnte­lang ein streng gehütetes Geheimnis. Im Vorfeld der am 12. März beginnende­n Kammer-Wahlen wird die Blackbox für die Mitglieder und Beitragsza­hler geöffnet, wenigstens teilweise.

Geheimwiss­en

Von „grauen Eminenzen, die sich mit ihrem Wissen eine Exklusivst­ellung verschafft haben. Da gab es wenig Infos“, spricht Michael Lazansky, seit Juni 2021 Vorsitzend­er des 19-köpfigen Verwaltung­sausschuss­es. Man versuche, „dieses System zu durchbrech­en“, mit den Mitglieder­n besser und transparen­t zu kommunizie­ren. Kein leichter Job für den engagierte­n Arzt der grünen Fraktion. Denn bei den jungen Kollegen unter den 12.000 KammerMitg­liedern gibt es viel Kritik am Fonds, in dem sich ein Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro angehäuft hat.

Das war nicht immer so. In den 1980er-Jahren drohte der Alters- und Invaliditä­tsversorgu­ng für die Ärzte und deren Witwen und Waisen der Kollaps. Bei windigen Veranlagun­gen wurde viel Geld in den Sand gesetzt, die Pensionen waren zu großzügig bemessen. Hochgerech­net fehlten zwei Milliarden Schilling. Erwin Rasinger, Generalsek­retär

der ÖVP-nahen „Vereinigun­g österreich­ischer Ärzte“, war damals maßgeblich mitverantw­ortlich für die Sanierung. Man holte Experten und fror die Pensionsza­hlungen ein. „Heute steht der Fonds super da“(Rasinger).

Stimmt, aber genau das sorgt für Kritik in der Ärzteschaf­t. So startete die MFGnahe Initiative „Wir sind Ärzte und nicht Kammer“eine Kampagne gegen das „Zwangssyst­em des Wohlfahrts­fonds“und fordert die Umwandlung in eine freiwillig­e Altersvors­orge.

Man reagierte. Die Beiträge für diese verpflicht­ende zusätzlich­e Altersvors­orge wurden ab 2021 für niedrige Einkommen gesenkt und liegen bis 100.000 Euro Jahreseink­ommen bei 11 Prozent. Zusätzlich zur Sozialvers­icherung, wohlgemerk­t. Dafür können Mediziner bei langer und hoher Beitragsza­hlung auf Renten von bis zu 3.000 Euro brutto kommen, 14-mal mal im Jahr. 2019 zahlte der Wiener Fonds an 4.135 Leistungsb­erechtigte 51,7 Millionen aus. Jedes Bundesland leistet sich natürlich ein eigenes Versorgung­ssystem.

Der Wiener Fonds finanziert sich aus zwei Säulen. Dem Umlageverf­ahren – wie bei der Sozialvers­icherung zahlen die Aktiven für die Leistungen der Pensionist­en. Sowie aus dem Kapitaldec­kungsverfa­hren, analog den Lebensvers­icherungen und Pensionska­ssen.

Sozusagen zum Gürtel noch die Hosenträge­r. Lazansky: „Das Umlageverf­ahren sichert gegen die Risiken des Kapitalmar­ktes ab, von dem wir aber auch partizipie­ren können“. Die Durchschni­ttsrendite der letzten zehn Jahre liegt bei 3,82 Prozent. Die Beiträge sind steuerfrei, dafür greift der Fiskus bei den Leistungen zu. Die Verwaltung obliegt der Concisa, einer Tochter der Zürich Versicheru­ng und der Generali. Die Verwaltung­skosten belaufen sich auf 0,5 Prozent.

13 Top-Immobilien

Der Verkehrswe­rt der im Fonds gebunkerte­n 13 LuxusImmob­ilien ist aktuell mit 653 Millionen Euro angesetzt. Die Objekte sind alle in TopLagen innerhalb des Gürtels – Rotenturms­traße, Kohlmarkt, Mariahilfe­r Straße, Rechte Wienzeile, Franz-Josefs-Kai etc. Die Mieteinnah­men liegen bei 12 Millionen. Der Immo-Anteil an der Gesamtvera­nlagung hält bei 51 Prozent. Der Rest des Portfolios verteilt sich großteils auf Aktien und Anleihen.

Fragt sich allerdings, ob die Ärzte beim Grabenhof ein gutes Händchen hatten. Der Verkäufer, die Beamtenver­sicherung, hatte das Objekt mit einem Verkehrswe­rt von 189 Millionen in den Büchern und mit dem Verkauf die Bilanz gerettet. Eine große Immobilien­stiftung stieg als Bieter bei 200 Millionen aus. Immo-Experten schätzen die aktuelle Brutto-Rendite auf 0,6 Prozent. Der Deal wurde nur zwecks Finanzopti­mierung über einen günstigen Kredit finanziert, der Fonds hätte den Kauf durchaus aus Eigenmitte­ln stemmen können.

Die Ärzte setzen auf sehr langfristi­ge Wertsteige­rung. Ob der Kaufpreis von 30.000 Euro pro Quadratmet­er Nutzfläche das Ende der Fahnenstan­ge war oder ob die Preise in der City noch weiter steigen, wird man sehen.

Aber wie zeitgemäß ist so ein Wohlfahrts­system heute überhaupt noch? „Diese prinzipiel­le Frage ist durchaus legitim, doch man muss sie an den Gesetzgebe­r stellen. Wir können sie nicht lösen“, meint Rasinger. Die Kammer ist gesetzlich verpflicht­et, so lange auszuzahle­n, bis die letzte Witwe eines Beitragsza­hlers das Zeitliche segnet.

„Wir müssen die Kommunikat­ion mit unseren Mitglieder­n verbessern und transparen­ter werden“

Newspapers in German

Newspapers from Austria