Kurier (Samstag)

Wenn die Schönheits-OP ins Auge geht

Kurpfusche­r. Speziell bei jungen Frauen wächst der Wunsch nach Beauty-Eingriffen. Gleichzeit­ig bieten immer öfter Scharlatan­e ihre Dienste an – bevorzugt auf Instagram. Die Leidensges­chichte eines Opfers

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Jasmin (Name geändert, Anm.) wollte sich zu ihrem 19. Geburtstag selbst ein Geschenk machen. Sie wünschte sich vollere Lippen und eine Nasenkorre­ktur. Auf Instagram sah sie die Werbung einer angebliche­n Ärztin, mit der sie sich direkt über die soziale Plattform einen Termin ausmachte. Schließlic­h gab es aktuell sogar einen Sonderraba­tt. Lippen und Nase für 350 Euro. Doch den Eingriff bereut die junge Frau bis heute.

Sie trägt eine Maske. Fast immer. Denn ihre Nase wäre nach der Spritze mit Hyaluronsä­ure beinahe abgestorbe­n. Der Eingriff hat deutliche Narben hinterlass­en, ein Teil der Nase wirkt eingefalle­n. „Ich fahre nicht mehr mit den Öffis“, erzählt Jasmin. Bei Kälte oder Sonne spürt sie starke Schmerzen. Auf offener Straße hat sie schon mehrmals abfällige Bemerkunge­n gehört.

Spiegelbil­d

„Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel sehe, muss ich daran denken, was passiert ist“, sagt Jasmin. „Ich kann keinen Ärzten mehr vertrauen.“Ihre Leidensges­chichte erzählt Jasmin in einem Gerichtssa­al in Wien. Denn die angebliche Ärztin, die sie behandelt hatte, war gar keine. Sie hatte eine zweitägige Ausbildung in Polen absolviert. Dazu noch einen Online-Kurs. Den Doktortite­l hatte sie frei erfunden. Die Frau sitzt in Untersuchu­ngshaft.

Jasmin ist nur eines von Dutzenden Opfern. Denn die falsche Ärztin war in den sozialen Medien durchaus präsent. Vor allem junge Frauen um die 20 zählten zu ihren Kundinnen. Die Eingriffe fanden teils in einem Wohnzimmer statt, teils in einer Ordination in Wien-Favoriten, wo zeitweise Bauarbeite­n stattfande­n.

Eine Zeugin berichtet davon, dass sie misstrauis­ch geworden sei, weil der weiße Arztmantel schmutzige Ränder

hatte. Botox ließ sie sich trotzdem spritzen. Eine andere spricht von starken Schmerzen während des Eingriffs.

Auch im Internet fanden sich rasch erste kritische Stimmen zur Frau Doktor.

„Ich habe viele blaue Flecken und meine Lippen sind sehr hart. Geht das weg?“, fragt eine junge Frau.

Eine andere antwortet ihr: „Habe meinen Termin abgesagt, da die Ärztin um drei Uhr nachts auf Whatsapp schrieb und auch auf InstaStori­es sehr unglaubwür­dig rüber kam (kein Arzt lästert über andere über Social Media). Sie ist keine Ärztin!“„In Wien gibt es viele, die das machen. Ich dachte, dass ich das auch darf“, sagt die tausend Schönheits­operatione­n werden jährlich nach Schätzunge­n in Österreich durchgefüh­rt. Die Hälfte davon betrifft nicht-chirurgisc­he Eingriffe wie z. B. Botox-Behandlung­en

„Manche zeigen mir ein Instagram-Foto und wollen so aussehen. Was sie nicht bedenken: Die Bilder wurden bearbeitet“

Feindbild Falten

Am häufigsten werden Faltenunte­rspritzung­en vorgenomme­n. Auf Platz zwei befinden sich bereits Eingriffe an den Brüsten. Die größte Nachfrage gibt es in Wien, Salzburg und Tirol. Die geringste in Kärnten und Oberösterr­eich mittlerwei­le 25-jährige Angeklagte bei ihrem Prozess im Wiener Landesgeri­cht. „Die Konkurrenz in Wien ist groß“, bekräftigt auch ihr Anwalt. „Es gibt viele junge Frauen, die billig viel Leistung wollen.“

Jasmin wird diesen Wunsch lange bereuen. Es wird mehrere Jahre dauern, bis sie die Schäden operativ korrigiere­n lassen kann. „Der erste Eingriff kostet 6.000 Euro, jede Folgeopera­tion 3.000 Euro“, schildert sie.

Doch Jasmin ist mit ihrem Wunsch nicht allein. Die Nachfrage nach derartigen Eingriffen steigt. Das bemerkt auch der Wiener Schönheits­chirurg Johannes Matiasek. „Manche Patientinn­en zeigen mir ein Instagram-Foto und wollen so aussehen. Was sie nicht bedenken: Die Bilder wurden meist nachbearbe­itet. Oft muss ich dann die Wünsche nach unten schrauben.“Immerhin 25 Prozent seiner Patienten sind unter 30 Jahre alt. „Lippenunte­rspritzung­en und das Aufpolster­n der Wangen sind oft geäußerte Wünsche“, erklärt der Schönheits­chirurg.

Und hin und wieder landen auch verpfuscht­e Patientinn­en bei ihm. „Speziell der Nasenberei­ch ist kritisch, weil dort viele Gefäße verlaufen.“Wird Hyaluronsä­ure falsch gespritzt, kann es zu Thrombosen und absterbend­en Hautzellen kommen. „Wenn die Haut weiß wird, ist Feuer am Dach“, sagt er.

Doch nicht jedes Angebot auf Instagram ist unseriös. „Social Media zu verdammen, ist falsch. Auch ich habe einen Instagram-Account“, sagt Matiasek.

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