Kurier (Samstag)

Weinen ist nicht immer so echt und ansteckend

Friederike Gösweiner über das Ereignis, das eine Familie zur Glückssuch­e zwingt

- P.PISA

Regenbogen­weiß. Jemand „weint“. Und dieses Wort „weinen“liest sich oft, zu oft wie: da geht jemand; oder er kaut etwas; oder schläft. Also nichts Besonderes, das Aufmerksam­keit verdient.

Die Tirolerin Friederike Gösweiner meint es ernst. Weint jemand in „Regenbogen­weiß“, ist es wesentlich und echt und verständli­ch und ansteckend auch noch.

Und man kann auch nicht flott umblättern, wenn hier eine Familie versucht, neue Wege zu entdecken, um miteinande­r zu reden ... und irgendwann sogar wieder miteinande­r lachen zu können.

Innehalten ist notwendig (und wird ganz automatisc­h geschehen).

Der Ehemann bzw. Vater, ein bekannter Physiker und Uniprofess­or, ist soeben beim Ausräumen des Kofferraum­s zusammenge­brochen und gestorben. Herzinfark­t.

Gösweiners Roman erzählt, wie drei Leben geordnet werden müssen. Denn nichts hat nun mehr Gültigkeit ... Zuerst aber müssen die Phasen der Trauer durchgemac­ht werden – jede(r)

Friederike Gösweiner: „Regenbogen­weiß“Droschl Verlag. 344 Seiten. 24 Euro

KURIER-Wertung: āāāāά macht es anders, es gehört dazu, dass die „Kinder“, 35 Jahre alt die Tochter, um die 30 der Sohn – Zorn für den Vater empfinden: Denn wieso hat er keine Vorsorgeun­tersuchung gemacht?

Ihre Mutter /die Witwe wird währenddes­sen von Schuldgefü­hlen geplagt: Hat sie bei der Herzmassag­e etwas falsch gemacht?

Sensatione­ll

Ein Ereignis und die Folgen. Ein Unglück und die Frage nach dem Glück. Orientieru­ng finden: zu einer Zeit, in der die Welt so verrückt ist: Attentat auf die Satirezeit­schrift Charlie Hebdo im entfernten Paris – und bei uns in Österreich: ein Ort will verhindern, dass 80 Asylanten

in einem verfallene­n Hotel am Rand untergebra­cht werden.

Die Tochter: Sie muss gar nicht als Doktor der Philosophi­e arbeiten. Sie kann auch als Aushilfski­ndergärtne­rin.

Der Sohn: Er muss nicht als Kosmologe in Kanada forschen. Er kann sich auch nach Kreta zurückzieh­en..

Daran ist nichts sensatione­ll. Das Sensatione­lle am Roman ist: Man kann von ihm nicht lassen, selbst dann nicht, wenn die Witwe bloß sagt, was Witwen fern der Literatur zu ihrem Toten sagen:

„Siehst du, so geht das Leben weiter. Ich stehe hier ... und du bist tot und kommst nie wieder.“

Das ist einfach „nur“echt. Wie die Tränen.

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