Kurier (Samstag)

„Das ist eine einzige Schmerzeng­eschichte“

Im Theater an der Wien feiert „Jenůfa“von Janácek Premiere, Marc Albrecht dirigiert

- P. JAROLIN

Großes Finale. Es ist ein zweifacher Abschied. Wenn heute, Samstag, Leoš Janáceks „Jenůfa“mit coronabedi­ngter Verspätung zu ihrer Premiere kommt, wird es das gewesen sein. Die letzte Premiere von Intendant Roland Geyer an der Wien (in der Kammeroper spielt man bis Ende Juni weiter) und für zwei Jahre auch das letzte szenische Werk, das in diesem Haus zu sehen ist. Denn mit Anfang März startet die dringend nötige Generalsan­ierung. Der zukünftige Intendant Stefan Herheim muss ins Museumsqua­rtier ausweichen.

Ein besonderes Finale, zumal mit Lotte de Beer die designiert­e Direktorin der Wiener Volksoper Regie führt und mit Marc Albrecht jener

Mann am Pult des RSO steht, der als Einspringe­r die vorletzte Premiere der Ära Geyer (Puccinis „Tosca“) gerettet hat.

Marc Albrecht dazu im KURIER-Gespräch: „Das war schon ein ziemliches Abenteuer. Aber das Orchester ist mit unglaublic­her Intensität mitgegange­n. Dass ich die letzten zwei Premieren vor der Sanierung hier dirigieren würde, hätte ich tatsächlic­h nicht gedacht.“

Auf der Suche

Doch was sieht der internatio­nal gefragte Dirigent in „Jenůfa“? „Hier sucht Leoš Janácek seinen Stil noch, er hat ja erst spät in die Welt der Oper gefunden. Wir haben uns übrigens für die Fassung aus dem Jahr 1908 entschiede­n, denn wir wollen so viel Musik wie möglich von Janácek zur Aufführung bringen, also haben wir alle späteren Bearbeitun­gen verworfen.“

Dass die Proben in Pandemie-Zeiten schwierig waren, räumt Albrecht ein. Lachend: „Die Proben waren eine wahre ,Flickschus­terei’. Wir haben wegen zahlreiche­r Krankheits­fälle 10 Tage nicht proben können, zu den Endproben stand aber auf wundersame Weise wieder der gesamte Cast auf der Bühne.“

Zur Rolle der Jenůfa: „Es gibt kaum eine Opernfigur, die ein so großes Herz hat, die so stark ist, dass sie nichts unterkrieg­en kann und die gleichzeit­ig so unfassbar gütig ist. ,Jenůfa’ ist eine einzige Schmerzens­geschichte. Das

Theater an der Wien ist aufgrund seiner Intimität wunderbar dafür geeignet.“

Albrecht weiter: „Ich habe überhaupt sehr schöne Erinnerung­en an Wien, wo ich mich schon während meiner Studienzei­t sehr wohl gefühlt habe und bin begeistert, wie man hier das kulturelle Leben trotz der Pandemie aufrecht erhält und verteidigt. Das fehlt mir oft in Berlin“, so der Sohn des Dirigenten George Alexander Albrecht. Doch was kommt nach der „Jenůfa“? „Ich dirigiere nur Stücke, für die ich wirklich glühe. Im Mai kommt an der Deutschen Oper Berlin Franz Schrekers ,Schatzgräb­er’. Dann eine neue Oper von Aribert Reimann und Puccinis ,Turandot’ in Zürich.“

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