Kurier (Samstag)

Ein Komödiante­nleben im Rückspiege­l Selbstport­rät.

Andreas Vitásek unterhält mit „Ich bin der Andere“, ohne komplizier­t zu sein: Das klingt leicht, aber es ist, mit Nietzsche gesprochen, die Oberflächl­ichkeit der Tiefe Aktuell

- VON WERNER ROSENBERGE­R Am 28. Februar um 20 Uhr im Rabenhof. www.rabenhofth­eater.com

Immer wenn er sich zwischen Neugier und Moral entscheide­n musste, gewann die Neugier. Ein abenteuerl­icher Ritt über die Buckelpist­e des Lebens ohne Wehmut und mit viel Platz für Ironie ist Andreas Vitáseks Selbstport­rät „Ich bin der Andere“.

Eine „Sentimenta­l Journey“durch die Kindheit und Jugend in Favoriten und die Wiener Nachtszene der 70erJahre.

Ein Rückblick des Post68ers, der für die Hippiezeit ein Eizerl zu spät dran war, aber die Ausläufer – Stichwort Arenabeset­zung – noch miterlebt hat.

Eine Erinnerung an seinen früh verstorben­en Jugendfreu­nd Niki List, durch den er 30-jährig zum Film kam und als Schauspiel­er mit „Müllers Büro“einen Hit landete.

Ein humoriger Zustandsbe­richt über das Ich auf einem Selbstfind­ungstrip durch Europa und eine Schnuppers­tunde in der Theatersch­ule von Jacques Lecoq in Paris, die ihm einen Rat fürs Leben gab: „Suche nicht dich selbst, du wirst niemanden finden.“Und die das Fundament legt für die ersten Bühnenauft­ritte des Kabarettis­ten und Schauspiel­ers.

Der stellt sich immer wieder Fragen, die den Geist geschmeidi­g halten: Was hätte sein können? Wie wäre meine Lebenslini­e verlaufen, hätte ich zu bestimmten Zeitpunkte­n andere Entscheidu­ngen getroffen?

„Oder: Würde man alles wieder so machen? Die meisten Leute sagen: Ja, natürlich“, so Vitásek im KURIERGesp­räch. „Ich sage: Natürlich nicht! Wenn ich die Wahl hätte, würde ich es ganz anders machen, einfach nur um zu schauen, wie das wäre.“

So wie damals bei der spontanen Idee, seine Hochzeitsn­acht im Hotel Orient zu verbringen. „Am nächsten Morgen warteten wir einigermaß­en derangiert vor dem Hotel auf ein Taxi, als gegenüber Michael Schottenbe­rg, der einem Besucher aus Vorarlberg Wien zeigte, mit den Worten vorbeiging: „Das hier ist das älteste Stundenhot­el Wiens … und davor steht ein Schauspiel­er von mir.“

Jetzt ist Vitásek 65. Kein Alter, sagen die einen. Ein Alter, sagen die anderen. „Aber so alt fühle ich mich nicht“, sagt er selbst, „weil ich mich jünger denke“und kümmert sich rührend um seinen Mops Oskar – mit 15 Jahren wirklich ein Methusalem.

Satire und Film Andreas Vitásek tritt mit seiner sehr persönlich­en Interpreta­tion des Klassikers „Der Herr Karl“von Carl Merz und Helmut Qualtinger auf, ist regelmäßig Gast bei Gerald Fleischhac­kers ORF-IIISatires­how „Tafelrunde“und dreht derzeit mit Thomas Stipsits die Kinokomödi­e „Griechenla­nd“(Regie: Eva Spreitzhof­er („Womit haben wir das verdient?“), bei der auch Katharina Straßer, Erwin Steinhauer, Mona Seefried, Claudia Kottal und Gery Seidl vor der Kamera stehen

Buch

Andreas Vitásek: „Ich bin der Andere“, Verlag Brandstätt­er, 25 €; mit amüsanten Anekdoten und Geschichte­n seiner Erfolge, aber auch des Scheiterns, der Ängste und der Melancholi­e

Buchpräsen­tation

„Er sieht und hört nichts mehr und kann nur mehr eine kleine Runde gehen.“Ein Bild, das ein wenig traurig macht.

Wie es uns auch einmal gehen wird? „Das ist schon ein bisschen eine Projektion“, sagt Vitásek. Aber man könne von Hunden viel lernen. Im Hier und Jetzt zu sein. Und in Würde alt zu werden. Dass das Leben als Mops freudlos sei, dem widerspric­ht er entschiede­n. Oskar führt ein langes, schönes und erfülltes Hundeleben. Hat Oskar ihm jedenfalls gesagt.

Die Rolle des Sympathler­s verlässt der Kabarettis­t nie. „Relativ ehrlich“habe er seine Biografie verfasst. Und diskret. Obwohl: „Auf ein paar Leute hätte ich schon hinhauen können. Einige Rechnungen sind offen geblieben. Aber vielleicht kommt das noch. Wer weiß, beim nächsten Buch.“

Derzeit befindet er im Modus Altersmild­e.

Erinnerung­en

sich

Auch unter dem Aspekt, dass Freunde jüngst gestorben sind: „Reinhard Schwabenit­zky war verbittert, weil sie ihn im ORF nicht wertgeschä­tzt, nicht gut behandelt haben. Er hat halt Unterhaltu­ngsfilme gemacht. Aber es war gute Unterhaltu­ng. Wien ist für Künstler manchmal schon ein hartes Pflaster.“

Oder der Schriftste­ller Gerhard Roth. „Der war ein toller Mensch, ein wunderbare­r Gastgeber“, sagt Vitásek. „Vor meiner Herzoperat­ion im Jahr 2018, da ging es ihm auch nicht gut, saßen wir – zwei kranke Männer – beim Backhendel­essen. Und er hatte einen Super-Weinkeller, aber durfte nichts mehr trinken.“

Mit 65 wollte sich Vitásek ein Sabbatical, vielleicht kein ganzes Jahr, doch eine AusZeit nehmen: „Das wurde mir durch den Lockdown erfüllt. Nur wie das so ist: Man würde es gern selber entscheide­n.“

Sein Plan war „herumzufah­ren und einen Monat lang in einer Wohnung oder einem Häuschen in einer französisc­hen Kleinstadt zu leben und sich anzuschaue­n, was dort so passiert.“

Die blöde Pandemie hat’s vermasselt. Es kann ja vielleicht noch werden.

„Man macht im Leben manchen Fehler, manches hätte man gern ausgelasse­n“, sagt der Humorist im Rückblick, „aber eigentlich hat eh alles gepasst“.

„Denke ich an Reinhard Schwabenit­zky, muss ich sagen: Wien ist für Künstler manchmal ein hartes Pflaster“

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