Kurier (Samstag)

HOCH HINAUS

Welche Schuhe Frauen heute tragen, ist längst eine Frage freier Entscheidu­ng. Wir müssen uns nicht mehr in High Heels zwängen, um zu wirken – aber wir können es. Umso spannender kann es daher sein, mit Stilettos zu spielen – am besten, im Liegen.

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Ich weiß nicht, wer die High Heels erfunden hat, aber alle Frauen schulden ihm viel“: ein Zitat, das Marilyn Monroe zugeschrie­ben wird. Nun, sie war wohl nie im Homeoffice und hatte vermutlich keine Ahnung, wie herrlich sich ein Leben ohne hohe Schuhe anfühlen kann. Nur so viel dazu: „High Heels“verdienen erst ab zehn Zentimeter­n Absatz das Prädikat „wirklich high“. Und zum „Erfinder“: Genau genommen gibt es keinen, man vermutet, dass das Tragen hohen Schuhwerks bereits in der Antike angesagt war, worauf Grabfunde hinweisen, 1400 nach Christus staksten Frauen mit „Chopines“herum, deren Sohlen oft mehr als 40 Zentimeter hoch waren. Mit denen konnten sie nur gehen, wenn sie von zwei Bedienstet­en gestützt wurden. Auch Männer trugen als Zeichen von Macht und Ansehen hohe Schuhe.

Laut „Vogue-Modelexiko­n“sind Stilettos, so wie wir sie kennen, eine Erfindung des 20. Jahrhunder­ts. Als ihre wahren Schöpfer gelten sowohl Salvatore Ferragamo als auch Roger Vivier und André Perugia. Die Dinger wurden rasch zum Symbol von Erotik und Weiblichke­it, was nicht alle goutierten. Die Feministin Alice Schwarzer naturgemäß gar nicht, unter dem Titel „Unsere Füße gehören uns!“schrieb sie im Jahr 1979 einen empörten Kommentar: „Stilettos sind keine Siebenmeil­enstiefel. In ihnen geht man nicht voran, sondern schwankt auf der Stelle … Ist es ein Zufall, dass diese Schuhe (verbunden mit der entspreche­nden Mode) in Zeiten aufkommen, in denen Frauen im Aufbruch sind? Ist es ein Zufall, dass wir gerade jetzt am Laufen gehindert werden sollen?“Weibliche Bodenhaftu­ng schien angesagt und das war damals sehr gut so. Irgendwann war das dann auch wurscht und die Frauen begannen, sie frei zu entscheide­n. Sie trugen die Dinger, um größer oder mächtiger zu wirken oder bewusst erotisch. Denn selbstvers­tändlich wirken Stilettos markant auf die Ausstrahlu­ng. Sie machen längere Beine, einen argen Hüftschwun­g, betonen den Hintern. Gott sei Dank längst eine Frage bewusster Entscheidu­ng: Wenn wir uns auf diese Weise pimpen wollen, tun wir’s für uns und für sonst niemanden – und Punkt. Dieser Gedanke ist aktueller denn je, weil die Pandemie uns nicht nur die Herrlichke­it des HomeSchlab­berlooks schmackhaf­t gemacht hat, sondern den Segen bequemer Sneaker. Dass die auch zu Röcken und Kleider gehen und sich niemand mehr geniert, auf diese Art durch die Stadt zu flanieren: Danke, danke, danke! Welch ein Fortschrit­t. Und vor allem: Alles zu seiner Zeit. Denn selbstvers­tändlich gibt’s diese speziellen Augenblick­e, in denen wir uns – einfach so, aus dem Bauch heraus und gewisser Gründe wegen – aufbrezeln wollen. High Heels haben nun einmal einen mörderisch­en Sex-Appeal, sie strahlen weibliche Kraft aus, daran gibt es keinen Zweifel. Männer lieben sie, und es spricht genau nix dagegen, sie als Stilmittel einzusetze­n, wenn wir Frauen uns als sinnliche Superstars inszeniere­n wollen. Die Frage ist nur: Wie nehmen wir sie denn? Ich bin ein Fan des Konzepts „Shouldersh­oes“, heißt: Ab in die Stilettos, aber nur für einige wenige, gewisse Stunden, vor allem im Bett. High Heels beim Sex und im Liegen zu tragen, ist die bequemste und gesündeste Art, mit ihnen zu spielen. Vermutlich kommt davon auch der Name, weil ein Mann es als extrem erregend empfinden kann, wenn sie ihre Beine samt Heels auf seinen Schultern ablegt, während er sie vögelt. Und dann, wenn alles vorbei ist, und alle wieder entspannt und lustig sind, spricht nix dagegen, flugs in die Flachlatsc­hen zu schlüpfen, um rauszugehe­n – auf einen Cappuccino und ein Kipferl.

„Vermutlich kommt davon auch der Name, weil ein Mann es als extrem erregend empfinden kann, wenn sie ihre Beine samt Heels auf seinen Schultern ablegt, während er sie vögelt.“

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