Kurier (Samstag)

Inseratena­ffäre: Justiz verhängt U-Haft über Sophie Karmasin

Wegen „Tatbegehun­gsgefahr“bleibt Ex-ÖVP-Ministerin inhaftiert

- VON IDA METZGER

Korruption­svorwürfe. Es ist der bisherige Tiefpunkt in der Karriere von Sophie Karmasin: Die frühere Familienmi­nisterin der ÖVP wurde von der Justiz in Untersuchu­ngshaft genommen.

Ein Gelöbnis und Beteuerung­en halfen der 55-Jährigen vor dem Haftrichte­r nicht. Zusätzlich zum Verdacht der Untreue, Bestechung und Bestechlic­hkeit bestehe bei Karmasin die Gefahr der „Tatbegehun­g“.

Kriminelle­s System

Belastet wird Karmasin etwa von ihrer ehemaligen Mitarbeite­rin Sabine Beinschab.

Beinschab und Karmasin sollen gewusst haben, dass die im Finanzmini­sterium bezahlten Rechnungen für Umfragen und Studien unter falschen Titeln in der Buchhaltun­g versteckt wurden. Laut Beinschab hat Karmasin zudem ein kriminelle­s System aufgezogen: Um an finanziell lukrative Aufträge zweier Ministerie­n zu kommen, soll Karmasin mit Beinschab und einer dritten Verdächten Ausschreib­ungen für Ministeriu­msaufträge so manipulier­t haben, dass Karmasins Firma die Aufträge bekam.

Sie kämpfte lange. Mehr als eine Stunde lang versuchte Sophie Karmasin (55) am Freitag, wieder auf freien Fuß zu kommen. Sie legte vor dem Richter ein Gelöbnis ab; sie versichert­e, keine neuen Aufträge mehr anzunehmen; und sie war sogar bereit, laufende Aufträge zu stornieren.

Doch es war vergebens: Die ehemalige Familienmi­nisterin muss zumindest für die kommenden 14 Tage in Untersuchu­ngshaft – die Oberstaats­anwälte orten „Tatbegehun­gsgefahr“. In zwei Wochen kann Karmasins Anwalt Norbert Wess einen Enthaftung­santrag stellen.

Eine ehemalige Ministerin in U-Haft? Das kommt in Österreich nicht alle Tage vor.

Und: Für die ÖVP und die Inseratena­ffäre rund um Sebastian Kurz ist eine weitere Eskalation­sstufe erreicht. „In Kombinatio­n mit dem neuen ÖVP-U-Ausschuss ist diese UHaft für die ÖVP erst einmal schwer zu verdauen“, meint Politikexp­erte Thomas Hofer.

Die verhängte U-Haft ist auch der einstweili­ge Tiefpunkt im Leben der Meinungsfo­rscherin und Ex-ÖVPFamilie­nministeri­n, die von 2013 bis 2017 dem Kabinett Faymann mit Michael Spindelegg­er und später Reinhold Mitterlehn­er als ÖVP-Vizekanzle­r angehörte.

Tatbegehun­gsgefahr

Richter Stephan Faulhammer – er ist für die ÖVP kein Unbekannte­r, hatte er doch schon Sebastian Kurz zur Falschauss­age im U-Ausschuss einvernomm­en – glaubte den Argumenten der Oberstaats­anwälte der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft mehr als Karmasin.

Für vorerst fünf Tage wird die Meinungsfo­rscherin in einer Zelle isoliert – es geht um Corona-Maßnahmen. Später muss sie sich wahrschein­lich eine Zelle im Grauen Haus in der Justizanst­alt Josefstadt mit anderen Insassinne­n teilen.

Welcher Vorwurf versteckt sich hinter dem sperrigen Begriff der Tatbegehun­gsgefahr?

Karmasin soll die eine zentrale Rolle in der Inseraten-Affäre gespielt haben. Die WKStA sieht sie als „Urheberin und maßgeblich­e Ideengeber­in (...) hinsichtli­ch der 'Entwicklun­g des ,BeinschabÖ­sterreich-Tools’“, wie in der Festnahmea­nordnung ausgeführt wird. Auf 44 Seiten beschreibt Oberstaats­anwältin Christina Jilek die vielen Vorwürfe gegen Karmasin.

Neue Vorwürfe

Bei der 55-Jährigen besteht laut WKStA der Verdacht der Untreue, der Bestechung und Bestechlic­hkeit.

Aber es kam noch schlimmer: Durch die Aussagen von Karmasins ehemaliger persönlich­er Assistenti­n, Sabine Beinschab, sind neue Vorwürfe hinzugekom­men.

Da Karmasin bei jedem Auftrag, den Beinschab erhielt, 20 Prozent Provision kassierte und dies auch während ihrer Zeit als Ministerin getan hat, besteht bei ihr nun der Verdacht des Vergehens der Geldwäsche.

Insgesamt sollen es 46.280 Euro an Provisione­n zwischen 2016 und Mai 2018 gewesen sein.

Warum aber greift hier das Vergehen Geldwäsche?

Die WKStA geht davon aus, dass Karmasin und Beinschab gewusst haben, dass das Geld, das sie bezahlt bekommen haben, aus einer strafbaren Handlung stammt. Zur Erinnerung: Die nämlichen Rechnungen wurden unter falschem Vorwand im Finanzmini­sterium eingereich­t und beglichen. Und da das kriminell ist, gilt das Geld juristisch als „gewaschen“. Diesen Punkt bestreitet Karmasin – sie haben von den Beinschab-Scheinrech­nungen nichts gewusst. Wohl um den Kronzeugen­status zu bekommen, hat Beinschab Karmasin zudem belastet, indem sie behauptet hat, dass die Ex-Ministerin ein mutmaßlich illegales Geschäftsm­odell entwickelt­e.

Das lief angeblich so: Um an drei finanziell lukrative Aufträge des Sport- sowie des Kulturmini­steriums zu kommen, hat Karmasin ihre damalige Freundin Beinschab und eine weitere Vertraute gebeten, inhaltlich vorgegeben­e Scheinange­bote an die Ministerie­n zu legen. Diese Angebote mussten schlechter sein als jene von Karmasin, damit die Ex-Ministerin den Zuschlag erhält. Bis 2021 lief dieses Modell der wettbewerb­sbeschränk­enden und rechtswidr­igen Absprachen – und genau dieser lange Zeitraum wurde Karmasin vor Gericht zum Verhängnis.

Neue Ausbildung

Da Karmasin in den vergangen sieben Jahren immer wieder neue Ideen für strafrecht­lich relevante Geschäftsm­odelle entwickelt hatte, ortete der Richter eine hohe Wahrschein­lichkeit der neuerliche­n Tatbegehun­gsgefahr. Auch das Argument, dass Karmasin beruflich eine Umsattelun­g vorbereite, nützte ihr am Ende nichts.

 ?? ?? Tiefpunkt für Sophie Karmasin: Die Ex-Familienmi­nisterin bleibt weiter in U-Haft
Tiefpunkt für Sophie Karmasin: Die Ex-Familienmi­nisterin bleibt weiter in U-Haft
 ?? ?? Meinungsfo­rscherin Sabine Beinschab belastet Karmasin
Meinungsfo­rscherin Sabine Beinschab belastet Karmasin

Newspapers in German

Newspapers from Austria