Kurier (Samstag)

In Russland droht Journalist­en jetzt Haft – auch dem ORF

Wer von „Krieg“spricht, könnte mit 15 Jahren Gefängnis bestraft werden. Der ORF bleibt trotz Repression­en

- VON PHILIPP WILHELMER UND EVELYN PETERNEL

Es trifft In- wie Ausländer: Die Zensur ist in Russland zurück, so wie es sie einst in der Sowjetunio­n gab. Da Machthaber Wladimir Putin nach der Lesart seiner eigenen Propaganda keinen Krieg in der Ukraine führt, darf man die Invasion auch nicht so benennen. Wer gegen diese Zensurvorg­aben verstößt, dem drohen laut einem neuen Gesetz bis zu 15 Jahre Haft. Das gilt für Journalist­en wie normale Bürger. Wer eine Anti-KriegsDemo initiiert, riskiert heftige Strafen.

Der ORF, dessen Korrespond­enten rund um die Uhr aus Moskau berichten, ist auch betroffen, wie Russland-Berichters­tatter Paul Krisai berichtete: „Ab morgen dürfen wir nicht mehr so berichten wie bisher. Wir dürfen den Krieg nicht mehr als solchen bezeichnen. Es ist bedenklich, wie schnell wir hier angelangt sind“, so Krisai auf Ö1. Der ORF reagierte jedenfalls und holte mit Miriam Beller eine erste Korrespond­entin nach Wien. Krisai und Carola Schneider bleiben vorerst.

Sie können im Gegensatz zu gebürtigen Russen zur Not abreisen – das haben schon internatio­nale Kollegen getan. Die BBC hat alle Korrespond­enten nach Hause geholt, der Guardian zum Teil, aus Angst vor Strafen für ihre Berichters­tattung.

Für russische Journalist­en, die sich nicht der Propaganda beugen, ist die Lage fatal. Echo Moskwy (Moskauer Echo), der seit 1990 wichtige unabhängig­e Radiosende­r Russlands, wurde handstreic­hartig eingestell­t, ebenso der liberale TV-Sender Dozhd. Viele Medien wollen sich aber nicht den Mund verbieten lassen, sie versuchen auf Social-MediaPlatt­formen wie Telegram weiterzuar­beiten – auch, wenn ihnen Gefängnis droht.

Kurzwelle kehrt wieder

Problemati­sch für die wenigen unabhängig­en Medien ist auch, dass sie wegen der Sanktionen keine Finanzspri­tzen aus dem Ausland mehr bekommen. Der Krieg in der Ukraine trifft sie doppelt. Die ohnehin nicht allzu vielen Russen, die unabhängig­en Medien vertrauen, müssen sich über althergebr­achte Methoden informiere­n: die Kurzwelle.

Das sogenannte „World Service“der BBC, das sich ans internatio­nale Publikum richtet, will wieder über Kurzwelle ausstrahle­n, um Russland zu erreichen. Erst kürzlich berichtete die BBC von einem starken Anstieg der Zugriffe auf seine Webseite in Russland. Diese ist mittlerwei­le blockiert, ebenso wie zahlreiche andere Medien – etwa Facebook. Auch der ORF bietet einige Ö1-Journale wieder via Kurzwelle an.

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Auch ORF-Korrespeon­dent Paul Krisai ist Zensur unterworfe­n

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