In Russland droht Journalisten jetzt Haft – auch dem ORF
Wer von „Krieg“spricht, könnte mit 15 Jahren Gefängnis bestraft werden. Der ORF bleibt trotz Repressionen
Es trifft In- wie Ausländer: Die Zensur ist in Russland zurück, so wie es sie einst in der Sowjetunion gab. Da Machthaber Wladimir Putin nach der Lesart seiner eigenen Propaganda keinen Krieg in der Ukraine führt, darf man die Invasion auch nicht so benennen. Wer gegen diese Zensurvorgaben verstößt, dem drohen laut einem neuen Gesetz bis zu 15 Jahre Haft. Das gilt für Journalisten wie normale Bürger. Wer eine Anti-KriegsDemo initiiert, riskiert heftige Strafen.
Der ORF, dessen Korrespondenten rund um die Uhr aus Moskau berichten, ist auch betroffen, wie Russland-Berichterstatter Paul Krisai berichtete: „Ab morgen dürfen wir nicht mehr so berichten wie bisher. Wir dürfen den Krieg nicht mehr als solchen bezeichnen. Es ist bedenklich, wie schnell wir hier angelangt sind“, so Krisai auf Ö1. Der ORF reagierte jedenfalls und holte mit Miriam Beller eine erste Korrespondentin nach Wien. Krisai und Carola Schneider bleiben vorerst.
Sie können im Gegensatz zu gebürtigen Russen zur Not abreisen – das haben schon internationale Kollegen getan. Die BBC hat alle Korrespondenten nach Hause geholt, der Guardian zum Teil, aus Angst vor Strafen für ihre Berichterstattung.
Für russische Journalisten, die sich nicht der Propaganda beugen, ist die Lage fatal. Echo Moskwy (Moskauer Echo), der seit 1990 wichtige unabhängige Radiosender Russlands, wurde handstreichartig eingestellt, ebenso der liberale TV-Sender Dozhd. Viele Medien wollen sich aber nicht den Mund verbieten lassen, sie versuchen auf Social-MediaPlattformen wie Telegram weiterzuarbeiten – auch, wenn ihnen Gefängnis droht.
Kurzwelle kehrt wieder
Problematisch für die wenigen unabhängigen Medien ist auch, dass sie wegen der Sanktionen keine Finanzspritzen aus dem Ausland mehr bekommen. Der Krieg in der Ukraine trifft sie doppelt. Die ohnehin nicht allzu vielen Russen, die unabhängigen Medien vertrauen, müssen sich über althergebrachte Methoden informieren: die Kurzwelle.
Das sogenannte „World Service“der BBC, das sich ans internationale Publikum richtet, will wieder über Kurzwelle ausstrahlen, um Russland zu erreichen. Erst kürzlich berichtete die BBC von einem starken Anstieg der Zugriffe auf seine Webseite in Russland. Diese ist mittlerweile blockiert, ebenso wie zahlreiche andere Medien – etwa Facebook. Auch der ORF bietet einige Ö1-Journale wieder via Kurzwelle an.