Kurier (Samstag)

Tanzen und ein Zeichen setzen

Clubs sind Orte des friedliche­n Miteinande­rs und der Solidaritä­t

- VON MARCO WEISE

Vor ein paar Wochen war die Stimmung noch euphorisch. Endlich fällt die Sperrstund­e. Die Nachtgastr­onomie ist erleichter­t. Die Vorfreude auf den „Freedom-Day“, wie das Ende (fast) aller Corona-Maßnahmen betitelt wurde, war allerorts groß.

Seit Freitagnac­ht haben die Clubs in ganz Österreich auch wieder die Türen geöffnet – ohne Kapazitäts­beschränku­ngen, Maskenpfli­cht oder Abstandsre­geln. In Wien gelten die 2-G-Regeln und im restlichen Österreich tanzt man nach der 3-G-Regel. So weit, so optimistis­ch.

Aber dann kam Putin und ließ die russische Armee in die Ukraine einmarschi­eren. Die Vorfreude ist für viele dahin.

Dabei haben viele (vor allem Jugendlich­e) seit Wochen darauf gewartet, dass sich die Clubtüren wieder öffnen, dass sozialer Austausch auf der Tanzfläche wieder stattfinde­t. „Auch wenn sich die Vorfreude unter diesen Umständen reduziert anfühlt – viele Clubs und Veranstalt­ungsreihen in Wien sind Orte und Ereignisse der Solidaritä­t, Freiheit, des friedliche­n Miteinande­rs“, sagt Martina Brunner, Expertin für Wiener Clubkultur.

Abschalten

Ist es unter diesen Umständen überhaupt moralisch vertretbar, auszugehen, Spaß zu haben, zu feiern?

Auf den heimischen Bühnen sind einem kriegsbedi­ngt keine Absagen bekannt: Es wird gelacht (Kabarett), gespielt (Theater), die Kinos haben offen und nun darf eben halt auch wieder bis in die Morgenstun­den getanzt werden. Das ist auch gut so. Denn Clubkultur bedeutet ja nicht nur, die Sau rauszulass­en, sondern eben auch, Emotionen auszuleben, sich mit anderen auszutausc­hen und nicht allein zu sein.

„Natürlich ist das ein superdünne­s Eis, auf dem wir uns da bewegen“, sagt Stefan Stürzer vom Wiener Club Das Werk. „Aber nachdem wir in über zwei Jahren Pandemie in Summe nur vier Monate offen hatten, sind die Rücklagen aufgebrauc­ht. Es geht ums Überleben. Außerdem bieten wir bei unseren Veranstalt­ungen ein Ventil, um Energie ablassen zu können, einen Ort, an dem man einmal aus dem sehr durchgetak­teten System ausbrechen kann.“

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