Kurier (Samstag)

Eine Gefährtin des Wahlkampfs

Warum der Streit um den Wohlfahrts­fonds unseriös ist

- *** Wolfgang Radner ist Facharzt für Augenheilk­unde und Optometrie. Er kandidiert für Kammer light. WOLFGANG RADNER

So wie jeden Tag die Sonne aufgeht, explodiert das Thema Wohlfahrts­fonds der Ärztekamme­r für Wien (Pensions-, Invaliditä­tsund Waisenvers­icherung) vor jedem Ärztekamme­r-Wahlkampf.

Der Zorn über die hohen Sanierungs­beiträge hat sich derart tief im emotionale­n Gedächtnis der Ärzteschaf­t verankert, dass sich niemand des Themas entziehen kann. Nur allzu gerne stellen sich Fraktionen als „Retter“, oder „Beitragsre­duzierer“dar und ewig Gestrige oder Uninformie­rte propagiere­n immer noch dessen Abschaffun­g. Egal wie, keine Fraktion erklärt, was der Wohlfahrts­fonds eigentlich versichert, und schon gar nicht, welche Folgen seine Abschaffun­g hätte. Zu komplex ist die Materie und nur allzu leicht könnte der Eindruck entstehen, man würde den Wohlfahrts­fonds verteidige­n.

Unerwähnt bleibt auch, dass es erst durch kleinere Fraktionen wie z. B. Kammer-Light gelang, Bewegung in das System zu bringen und Verbesseru­ngen durchzuset­zen. Vielfalt hilft, denn mit gemeinsame­r Kreativitä­t finden sich Kostensenk­ungsund Verbesseru­ngspotenzi­ale eben einfacher. Aber der Reihe nach: Ab der Wahl 1999 und besonders 2003 war die Auflösung des Wohlfahrts­fonds in Wien ein mit Rechtsguta­chten durchsetzt­es Thema. Sanierungs­beiträge von fast 20 % des Nettoeinko­mmens erklären das kommentarl­os. Es stellte sich heraus, dass mit der Abschaffun­g mehrere Generation­en von ÄrztInnen Pensionen bezahlen müssten, ohne jemals selbst eine Pension zu erhalten. Schließlic­h entschloss man sich, durch Einführung eines Kapitaldec­kungsverfa­hrens den Pensionsan­teil sukzessive ansteigend an die privatwirt­schaftlich­en Pensionsve­rsicherung­en anzugleich­en. Im Wahlkampf wird das jedoch kaum kommunizie­rt und auch nicht, dass der Wohlfahrts­fonds zusätzlich eine Invaliditä­ts-, Witwen-, und Waisenvers­icherung ist, die unabhängig von den erworbenen Anwartscha­ftspunkten bis zum 37. Lebensjahr mit der Höchstleis­tung ausbezahlt werden. Auch das kostet Geld, genauso wie bei privaten Versicheru­ngen. Ein Opt-in/Opt-out-Säulensyst­em bietet sich förmlich an.

Die Berechnung der Beiträge ist in Wien derart komplizier­t, dass die Beitragsza­hlerInnen deren Ermittlung nicht nachvollzi­ehen können. Und schlimmer, niemand weiß, wie viel Pension man bekommen wird. Es fühlt sich daher an wie ein sehr teures „gar nichts“, wodurch die Emotionen hochkochen. Nüchtern betrachtet, findet sich also reichlich Verbesseru­ngspotenzi­al.

Es braucht: (a) Eine Vereinfach­ung der Beitragser­mittlung, (b) eine leistbare Anpassung der Beiträge an die Lebenssitu­ation wie z. B. bei Teilzeit oder geringen Einkommen und (c) eine Opt-in/Opt-out-Möglichkei­t, sodass verschiede­ne Leistungss­äulen bzw. Leistungsh­öhen ausgewählt werden können.

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