Kurier (Samstag)

EINFACH KOMPLIZIER­T

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Brot- und Butterwein nennen Winzer Gewächse, die mit wenig Aufwand viel einbringen und vorzugswei­se nach nichts schmecken. Was aber niemanden zu stören scheint – im Gegenteil: Je belanglose­r sie ausfallen, desto besser verkaufen sie sich. Dem Welschries­ling etwa wurde dieses unrühmlich­e Schicksal zuteil: Bis vor wenigen Jahren fristete er zumeist ein kümmerlich­es Dasein – zum Jausenwein oder Grundwein unauffälli­ger Sekte abkommandi­ert, am Fließband produziert, bar jeglicher Charakteri­stik. Ein Wein ohne Eigenschaf­ten scheinbar. Seine verborgene­n Talente hingegen vermochte kaum jemand aufzuspüre­n. Vermutlich hat das damit zu tun, dass gerade das Einfache komplizier­t ist. Der Welschries­ling lässt sich nicht aufbrezeln – macht nicht viel Aufhebens und besitzt auch keine Diven-Allüren. Entspreche­nd ungalant behandelte man ihn in den letzten Jahrzehnte­n zumeist. Bis eine Handvoll junger Winzer in der Steiermark und im Burgenland seine schlichte Schönheit erkannte. Armin Tement etwa, der von uralten Rebstöcken seiner berühmten Lage Zieregg einen Welschries­ling macht, der so anmutig ist, dass es einem die Sprache verschlägt; Stefan Wellanschi­tz junior mit einer so temperamen­tvollen wie präzisen Version der Sorte oder der funky Welschries­ling der rennersist­as, saftig wie sizilianis­che Blutorange­n. So unterschie­dlich ihr Wesen sein mag – was sie eint, ist ihr unverstell­ter Ausdruck. Im Weingarten werden sie verhätsche­lt, im Keller nicht gehetzt. Das Ergebnis ist viel Stoff und wenig Alkohol.

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjourna­listin in Wien.

„Der Welschries­ling fristete lange ein kümmerlich­es Dasein.“

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